Variablenlinguistische Beobachtungen zu den mittelniederdeutschen Schreibsprachen des südlichen Ostseeraumes am Beispiel von Wismar und Stralsund

Im Fokus dieses Beitrages stehen die mnd. Schreibsprachen der Hansestädte des südlichen Ostseeraumes. Am Beispiel des meckl. Wismar und des vpom. Stralsund sowie unter Einbeziehung weiterer ostelbischer und balt. Schreiborte sollen Aspekte der zeitlichen und räumlichen Ausdifferenzierung der nordöstlichen nd. Schreibsprachenlandschaft des 14. und 15. Jhs. diskutiert werden. Der Beitrag versteht sich als ‚Probebohrung‘. Vorgeführt werden erste Ergebnisse einer variablenlinguistischen Analyse phonographematischer, morphologischer und lexikalischer Kennformen des Mnd. Analysebasis bildet ein Korpus städtischer Rechtsund Verwaltungstexte des ond. Sprachraumes in Form von Urkunden, Briefen und Stadtbucheinträgen aus vier Zeiträumen des 14. und 15. Jhs. Demonstriert wird die Realisierung ausgewählter sprachlicher Variablen im städtischen Kanzleischrifttum Wismars und Stralsunds. Methodisch schließt sich die Studie damit variablenlinguistischen Untersuchungen an, wie sie bereits für mnd. Schreiborte wie z.B. Oldenburg (Peters 1995), Osnabrück (Weber 2003), Hamburg (Peters 2014d), Lemgo (Fedders 1993) und Lübeck (Peters 2014c) sowie für einzelne Vertreter der mnd. Fachprosa (Temmen 2006; Denkler 2006) vorliegen. Der Schreibusus von Wismar und Stralsund wird hierbei einerseits zu den Schreibsprachen sechs weiterer Hansestädte des südlichen Ostseeraumes (Schwerin, Rostock, Greifswald, Kolberg, Danzig, Riga) in Beziehung gesetzt, andererseits mit der lübischen Schreibsprache verglichen. Auf diese Weise wird eine Verortung beider Städte in die Schreibsprachenlandschaft der südlichen Ostseeküste versucht. Damit im Zusammenhang soll deren Charakter als lübisch geprägte Ausgleichslandschaft überprüft werden. Im Mittelpunkt stehen Fragen der diachronen und diatopischen Varianz sowie der Konvergenz und Divergenz der lokalen schreibsprachlichen Variantensysteme.