Konzepte zur flexiblen Konfiguration von Finanzdienstleistungen

Integriertes Kundenmanagement über alle Vertriebskanäle hinweg und die Steigerung der Kundenzufriedenheit durch spezifische kundenindividuelle Beratung und Leistungserstellung sind zentrale Ansätze von Finanzdienstleistern, um auf wettbewerbsintensiven Märkten weiterhin bestehen zu können. Wesentliche Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Analyse der Kundensituation und der darauf aufbauenden Konfiguration maßgeschneiderter Angebotslösungen zu. Eine Produktkonfiguration auf der Basis von wissensbasierten Konfigurationssystemen ermöglicht es dabei Finanzdienstleistern, potenziellen Kunden ein individualisiertes Produktangebot zu bieten und zugleich die Kosten der Kundenansprache bzw. Angebotserstellung gering zu halten. Am Beispiel der Konfiguration eines Ausbildungssparplans erläutern die Autoren die Umsetzung von kundenindividuellen Beratungsund Konfigurationsprozessen in der Finanzwirtschaft. 1 Bedeutung der Produktbzw. Angebotskonfiguration in der Finanzwirtschaft Schlagworte wie Allfinanz und Financial Planning verdeutlichen die Zielsetzung von Banken und anderen Finanzdienstleistern, ihren Kunden ganzheitliche und kundenindividuelle Lösungen anzubieten. Gerade bei der Übertragung des Financial Planning Konzeptes auf das Mengenkundengeschäft ist es eine zentrale Aufgabe von Banken, maßgeschneiderte Angebotspakete aus weitgehend standardisierten Produktbausteinen, die z.T. von verschiedenen Fremdanbietern wie Versicherungsund Fondsgesellschaften bereit gestellt werden, zusammenzustellen. Analog zum Konzept der Mass Customization [An97], [Pi93], [PSt03], [Wi01] soll Kunden dabei die Möglichkeit gegeben werden, selbstständig (z.B. über interaktive Beratungstools im World Wide Web) oder unter Einschaltung eines Beraters Produkte gemäß ihren Präferenzen und Wünschen zu konfigurieren. Wesentliche Grundlage für eine effiziente und effektive Umsetzung der Mass Customization ist die Unterstützung durch geeignete Anwendungssysteme. Wissensbasierte Konfiguration ist in diesem Zusammenhang eine Basistechnologie, die es erlaubt, Kunden (auch über elektronische Vertriebskanäle) komplexe und integrierte Produktlösungen näher zu bringen und zugleich die Kosten einer individuellen Angebotserstellung zu reduzieren [Fe02], [Ni03], [RT98], [Ru98]. In diesem Beitrag werden wissensbasierte Konfigurationssysteme als Grundlage einer bedürfnisorientierten, kundenindividuellen Angebotskonfiguration betrachtet. Am Beispiel der Konfiguration von Ausbildungssparplänen wird deren Anwendung in der Finanzwirtschaft exemplarisch dargestellt. Auf Basis ihrer Erfahrungen in der Umsetzung von Konfigurationsanwendungen im Finanzdienstleistungssektor gehen die Autoren im Speziellen auf Aspekte der Entwicklung und Wartung von Konfigurationsanwendungen und die Integration von Personalisierungskonzepten zur kundengerechten Gestaltung von Konfigurationsprozessen ein. Kundengerechte Personalisierungskonzepte spielen im Zusammenhang mit der Anwendung von Konfigurationssystemen eine wesentliche Rolle, da vom Kunden nicht erwartet werden kann, dass er mit der angebotenen Produktpalette vertraut ist. Der Kunde muss in diesem Zusammenhang in einer ihm verständlichen Art und Weise angesprochen werden, dies gilt ebenso für die Aufbereitung der Konfigurationsergebnisse. In Abschnitt 2 wird das Szenario „kundenund bedürfnisbezogene Produktkonfiguration am Beispiel eines Ausbildungssparplans“ präsentiert. In Abschnitt 3 wird die Architektur einer Konfigurationsumgebung zur effektiven Unterstützung des angeführten Szenarios erläutert. Abschnitt 4 skizziert die Darstellung des Anwendungsszenarios als Konfigurationsproblem und Abschnitt 5 gibt eine Zusammenfassung der präsentierten Konzepte. 1 Allfinanz beschreibt dabei die angebotspolitische Zielsetzung, alle relevanten finanzwirtschaftlichen Produkte aus einer Hand anbieten zu können [Bü98]. Financial Planning wird zumeist als ganzheitlicher und umfassender Beratungsund Betreuungsansatz angesehen, in dessen Rahmen ausgehend von einer Analyse der Kundensituation individuelle finanzwirtschaftliche Problemlösungen entwickelt werden. 2 Konzept einer kundenund bedürfnisbezogenen Produktkonfiguration am Beispiel eines Ausbildungssparplans Eine kundenspezifische Produktkonfiguration wird am Beispiel eines Kunden der Zielgruppe „Junge Familie mit Kind“ verdeutlicht, dem ein Ausbildungssparplan angeboten wird (vgl. Abbildung 1). Das Produkt Ausbildungssparplan stellt ein vorstrukturiertes Angebot seitens der Bank dar, das auf die finanzielle Vorsorge für die Ausbildung eines Kindes ausgerichtet ist. Gleichzeitig soll eine Absicherung der vorgesehenen Ansparleistung gegen Risiken, die den Eltern eine Fortsetzung der vorgesehenen Ansparleistungen aus bestimmten Gründen wie Berufsunfähigkeit oder Todesfall nicht mehr erlauben würde, erreicht werden. Demzufolge setzt sich das Produkt aus einer Anlageund einer Versicherungskomponente zusammen. Auf Grund einer modularen Struktur kann der Ausbildungssparplan flexibel konfiguriert werden, indem auf verschiedene Ausprägungen seiner Teilkomponenten, die z.T. auch von unterschiedlichen Unternehmen bereitgestellt werden, zurückgegriffen werden kann. Zudem sind variable Merkmale, wie beispielsweise Anspardauer und -leistung, individuell bestimmbar. In diesem Szenario kann der Kunde zwischen verschiedenen Rentenund Aktienfondssparplänen oder festverzinslichen Ratensparplänen als Ansparkomponente wählen. Gleiches gilt für die Versicherungskomponente, bei der eine Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Risikolebensund Berufsunfähigkeitsversicherungen besteht. Die Auswahl der Komponenten und die Belegung der variablen Merkmale finden im Rahmen eines Konfigurationsvorgangs statt. Dieser basiert auf einem Abgleich (Matching) zwischen Eigenschaften (beispielsweise Alter, Beruf, Einkommen) und Präferenzen (beispielsweise Risikoneigung, Renditeerwartung und Verfügbarkeit der Sparleistungen) des Kunden und relevanten Merkmalen der einzelnen Angebotskomponenten (beispielsweise erwartete Performance bzw. Verzinsung, Risiko). Im Rahmen dieses Matchingprozesses sind Business Rules zu berücksichtigen, die Einschränkungen hinsichtlich der Auswahl von Produktbausteinen oder Abhängigkeiten zwischen bestimmten Ausprägungen von Kundenund Produktmerkmalen definieren. So können beispielsweise Konditionen und Preise von der Wahl bestimmter Komponenten abhängig sein. Da im Rahmen der Produktkonfiguration in der Regel mehrere Produktvorschläge generiert werden, soll durch eine Nutzwertanalyse die Reihenfolge festgelegt werden, in der Lösungen dem Kunden angeboten werden. Neben Nutzenaspekten für Kunden können hierbei grundsätzlich auch Ertragsüberlegungen der Bank einfließen. Der beschriebene Konfigurationsvorgang kann durch ein wissensbasiertes Konfigurationssystem unterstützt werden. Von Vorteil ist dabei, dass sich der Stand der Technik im Bereich der Repräsentation von Produktwissen in den letzten 20 Jahren wesentlich weiterentwickelt hat. Besonders hervorgehoben werden muss in diesem Zusammenhang der Übergang von einer regelbasierten Wissensrepräsentation [McD82] zu Systemen mit einer deklarativen Wissensrepräsentation [Fl98]. 2 Vordefinierte Teile, die als elementarer Bestandteil eines Konfigurationsergebnisses auftreten können. Konfiguration Eigenschaften/ Kundenpräferenzen Individualisiertes Angebot Merkmale Ausbildungssparplan 1 Kunde der Zielgruppe „Junge Familie mit Kind“ Unterstützung der Ausbildung Absicherung Rentenfondssparplan te f s ar la Aktienfondssparplan kti f ss ar la Ratensparplan te s ar la RisikoLV isik BerufsunfähigkeitsV er fs fä i keits Anlagekomponenten Versicherungskomponenten (...) (...) (...) (...) (...) unter Beachtung von Business Rules (Constraints) Ausbildungssparplan 1 Anlagekomponente Versicherungskomponente Produktvorschläge Ausbildungssparplan 2 Ausbildungssparplan n Nutzwertanalyse Abbildung 1: Konzept einer kundenund bedürfnisbezogenen Produktkonfiguration am Beispiel eines Ausbildungssparplans Der wesentliche Vorteil von Konfigurationssystemen mit einer deklarativen Wissensrepräsentation liegt in der strikten Trennung von Problemdefinition und Lösungssuche, die eine signifikante Kostenreduktion in der Entwicklung und Wartung solcher Systeme mit sich bringt [Fl98]. Dieser Ansatz der Wissensrepräsentation gewährleistet die Unabhängigkeit des Konfigurationssystems von der Anwendungsdomäne, d.h. der Konfigurator kann für den Finanzdienstleistungssektor, den Telekommunikationsbereich und viele andere Bereiche angewendet werden, ohne Programmieraufwand am Konfigurationssystem zu verursachen – Änderungen sind nur in der zugrunde liegenden Konfigurationswissensbasis durchzuführen. Die Architektur eines solchen wissensbasierten Konfigurationssystems und deren Komponenten werden im folgenden Abschnitt erläutert. 3. Systemarchitektur Im Wesentlichen besteht ein wissensbasiertes Konfigurationssystem aus den in Abbildung 2 skizzierten Komponenten. Diese Komponenten wurden am Institut für Wirtschaftsinformatik und Anwendungssysteme an der Universität Klagenfurt entwickelt und in einer Reihe von Projekten im Bankenbereich zur Umsetzung von Beratungsanwendungen eingesetzt. Für die Bereiche Dialogsteuerung und Personalisierung wurden vom Institut für Bankinnovation (ibi) an der Universität Regensburg entsprechende bankfachliche Konzepte zur Unterstützung einer kundenindividuellen virtuellen Beratung [Ni01], [Ni03] und zur objektorientierten Modellierung von Finanzprodukten entwickelt [MW02]. 3.1 Wissensbasis, Wissensakquisition und Wartung Da die dem Konfigurationssystem zu Grunde liegenden Wissensbasen fortlaufenden Änderungen unterliegen (beispielsweise durch die Hinzunahme von neuen Produkten, durch die Änderung der Konditionen für bereits vorhandene Produkte oder durch neu definierte Business Rules seitens des Produktmanagements) wird eine zentrale Modellierungsumgebung benötigt, die es unterschiedlichen Mitarbeitern erlaubt, das aus ihrer Sicht relevante Produktwissen