Eulers Charakteristik und kombinatorische Geometrie.

Die klassische Elementargeometrie bezieht sieh bekanntlich vorwiegend auf lineare und polyedrische Gebilde des euklidischen Raumes. Erweitert man den Rahmen, indem man die Betrachtungen auch auf die konvexen Figuren des euklidischen und sphärischen Raumes ausdehnt, so ergibt sich eine Elementargeometrie im weiteren Sinne. Ein besonders reizvolles Teilgebiet dieser Elementargeometrie läßt sich dadurch charakterisieren, daß seine Aussagen sowohl metrischer als auch topologischer Art sind. Man denke etwa an den Eulerschen Polyedersatz, an das Hellysche Theorem usw. Es handelt sich um ein Sachgebiet, in welchem Topologie und Elementargeometrie in eine beide Disziplinen verbindende Wechselbeziehung treten. H. Hopf [6]*) hat in diesem Zusammenhang von kombinatorischer Geometrie gesprochen; diese Bezeichnungsweise haben wir uns in dieser Note zu eigen gemacht. Betrachten wir einige prägnante Tatbestände, welche der kombinatorischen Geometrie als Untersuchungsobjekte zugrunde liegen, so bemerken wir, daß sie alle mehr oder weniger durch das Gesetz eines fundamentalen Funktionais beherrscht werden, nämlich durch dasjenige der Eulerschen Charakteristik. Die dem Topologen wohlbekannte Funktion, welche u. a. auch für geeignete Kategorien geometrischer Figuren definiert werden kann, ist aber dem Geometer weniger geläufig, und die Verwendung ihrer Gesetze (Additionstheorem), welche überaus wirkungsvoll ist, blieb bisher im Rahmen der elementaren kombinatorischen Geometrie fast völlig aus. Dies erklärt sich dadurch, daß die exakte Begründung der Eulerschen Charakteristik in der Regel erst in einem ziemlich fortgeschrittenen Stadium der Topologie gegeben wird, und zwar im Zusammenhang mit weit allgemeineren und abstrakteren Begriffen. Obgleich die elementargeometrischen Figuren als einfachste Spezialfälle in den Gegenständen dieser höheren topologischen Begriffswelt enthalten sind, wird die unmittelbare Anwendung der disziplinfremden Eulerschen Charakteristik innerhalb der Elementargeometrie doch in der Regel als methodisch ungereimt unterbleiben müssen. Das Hauptziel der vorliegenden Note ist es nun aber, eine neuartige, von der Topologie unabhängige direkte Begründung der Eulerschen Charakteristik zu geben, welche sachlich und methodisch ganz im Rahmen der kombinatorischen Geometrie bleibt. Die Möglichkeit eines solchen durchaus elementaren Existenznachweises beruht im wesentlichen auf einer zugleich straffen und passenden Festlegung des Definitionsfeldes des Funktionais. Es handelt sich um den Konvexring, d. h. um den kleinsten Mengenring über dem System der konvexen Körper des betreffenden euklidischen oder sphärischen Raumes. Die Eulersche Charakteristik erscheint in diesem Zusammenhang als additives, invariantes und ganzwertiges Funktional über dem Konvexring. Die Invarianz bezieht sich