Derrick de Kerckhove: "The Architecture of Intelligence"

Derrick de Kerckhove ist Direktor des „McLuhan Program in Culture and Technology“ an der Universität Toronto in Kanada. Er war viele Jahre Übersetzer, Assistent und Co-Autor von Marshall McLuhan, dem wahrscheinlich bedeutendsten Medienphilosophen, kritischen Analytiker und Vordenker moderner Medien. „The Architecture of Intelligence“ ist ein Buch über Räume, Medien und Menschen. Wenn Derrick de Kerckhove ein Buch schreibt, ist es immer auch ein Buch über Kultur. Das Buch erscheint in der Serie „The IT-Revolution in Architecture“ und diskutiert dort in einer respektvollen und modernen Weise die Frage des Cyberspaces und seiner möglichen Bedeutung für den modernen Menschen und seine Kultur. De Kerckhove schafft zunächst ein Referenzsystem, indem er Räume in physikalische Räume, mentale Räume und den Cyberspace, den virtuellen Raum, klassifiziert. Letzerer entsteht im McLuhan’schen Sinn aus den elektronischen Netzwerken und Interaktionsschnittstellen. Der Cyberspace schafft in einer bedeutungsund wirkungsvollen Form eine Verbindung zwischen glaubhafter Physikalität und Bewußtsein. Nach Roy Ascott schlägt auch de Kerckhove „Cyberception“ als die neue Form der Wahrnehmung an, der inzwischen längst, wie Ascott meint, eine eigene wissenschaftliche Disziplin gebühren würde. De Kerckhove diskutiert Cyberception als weitere Modalität menschlicher Wahrnehmung nach dem kollektiven Diskurs aus gesprochener Sprache und dem individuellem Bewusstsein des gebildeten Menschen. Die besondere Rolle, die dieser Modalität zukommt, zeigt sich auch, wenn er feststellt: „If the alphabet split language in many parts and reduced the senses involved in human communication to a string of abstract signs, electricity is bringing all the senses back together again in multimedia, interactive systems and virtual reality.“ Hier wird die Anknüpfung an McLuhan offenbar. Eine „Architecture of Intelligence“ muss den physikalischen, den mentalen und den virtuellen Raum im Zusammenspiel meistern. Während der mentale Raum eine Internalisierung des äußeren, physikalischen Raumes darstellt: „This mental space is thus a personalized mirror image of the physical space outside. It is of course equally dependant on the alphabet. The fact is that the readers of the alphabet got two spaces for the price of one: one inside their head, and the other outside.“ stellt sich die Frage der Internalisierung des virtuellen Raums und seiner Beziehung zum physikalischen Raum. Derrick de Kerckhove liefert unzählige Beispiele aus der Geschichte der Architektur, der Literatur sowie aktueller Ereignisse und Räume, um die Frage der mentalen, kulturellen und vor allem interkulturellen Architektur des heutigen und künftigen Menschen zu umkreisen. Er zieht die Kreise dabei immer enger. Er zwingt den Leser ständig dazu, seine teils unterbewußten Ahnungen und Wahrnehmungen des Virtuellen rationale Formen zu geben oder diese in Frage zu stellen. Das Buch stellt allein damit auch einen wertvollen Fundus von Referenzen zu Virtualität und Cyberspace dar. Als ehemaligem Europäer und gutem Kenner europäischer Historie und Kultur läßt er es sich nicht nehmen, uns mit der Bedeutung der unglaublich reibungslosen Vereinheitlichung vieler Währungen durch den Euro zu konfrontieren. Bereits sein Lehrer Marshall McLuhan hat uns in seinem Buch „Understanding Media“ die Bedeutung von Geld als sozialem Medium und als Extension zur Verbindung von Wünschen und Motiven mit sozialen und spirituellen Werten transparent gemacht. Den tiefen und bedeutungsvollen kulturellen Identitäten in den europäischen Ländern schenkt Derrick de Kerckhove zum Abschluß seines Buches das Modell des „European Place“, einem elektronisch mediierten virtuellen Begegnungsraum für europäische Bürger auf realen zentralen Stadtplätzen, der gleichzeitig Identität, Globalität und Gemeinschaft wahrnehmbar und kommunizierbar macht. Er erlaubt jederzeit die virtuelle Begegnung von Europäern in ihren Städten. Er macht neugierig, motiviert Kommunikation und verbindet. Er ist eine Form der „Architektur der Intelligenz“ und zeigt, wie es klarer kaum vorstellbar wäre, wie physikalischer, virtueller und mentaler Raum stabil, nützlich und reizvoll verwoben werden könnten. Dies ließe sich auch mit dem Mitbegründer der Architektur Marcus Vitruvius Pollio, Architekt und Autor unter Augustus in Rom sagen: „Firmitas, Utilitas, Venustas“ (Festigkeit, Nutzen, Schönheit). Mit solchen Konzepten zeigt uns Derrick de Kerckhove auch Auswege aus der oft inhaltsleeren, technikverliebten und pseudo-transzendenten Cyberspace-Diskussion hin zu einem kultursensitiven konstruktiven Medienverständnis, das an McLuhan anknüpfend ein „unified field of experience“ für moderne Menschen schaffen könnte.