Erwähnung der Täterherkunft in der Verbrechensberichterstattung: Welchen Effekt hat die populistische Medienschelte?

Die Erwähnung von Herkunftsinformationen (z. B. Nationalität) über Verdächtige und Täter in der Kriminalitätsberichterstattung kann Vorurteile in der Bevölkerung schüren. In jüngster Zeit haben Rechtspopulisten erheblichen Druck auf die Nachrichtenmedien ausgeübt den Migrationshintergrund von Tatverdächtigen und Tätern offenzulegen und damit von der lange gepflegten Berufsnorm (Pressekodex, Ziffer 12.1) abzuweichen, die vorsah, solche gruppenbezogenen Informationen möglichst zurückzuhalten. Die vorliegende Inhaltsanalyse von 9.032 Artikeln der Kriminalitätsberichterstattung von zehn deutschen Tageszeitungen zeigt, dass zwischen 2014 und 2018 die Häufigkeit der Herkunftserwähnungen deutlich zugenommen hat, insbesondere in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Diese Zunahmen betreffen sowohl explizite (Nationalität) als auch implizite (z. B. Sprache, Aussehen, Aufenthaltsstatus) Verweise und sind nicht auf Schwerverbrechen beschränkt, für die der reformierte Pressekodex seit 2017 ein „öffentliches Interesse“ an der Täterherkunft annimmt. Die Befunde sind brisant mit Blick auf mögliche vorurteilsfördernde Wirkungen auf das Publikum und zugleich aufschlussreich mit Blick auf den Umgang des Journalismus mit populistischer Kritik.