Was sagen Statistiken über Entgeltdiskriminierung aus
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In jüngster Zeit findet das Thema „Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern“ größere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Ausgangspunkt der Diskussionen sind zumeist statistische Befunde. Als äußerst problematisch gilt die unbereinigte Entgeltlücke (der sog. Gender Pay Gap), die hierzulande 23 Prozent1 beträgt. Davon lassen sich nach Angaben des Statistischen Bundesamtes zwei Drittel „strukturell“ erklären, so dass eine bereinigte Entgeltlücke von acht Prozent bleibt.2 Eine noch geringere Differenz besteht nach Berechnungen des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft: Nur vier Prozent Lohneinbuße müssten Frauen in Kauf nehmen, wenn sie kindbedingte Erwerbsunterbrechungen möglichst kurz hielten.3 Der Berliner Tagesspiegel berichtete daraufhin auf der Titelseite: „Frauen verdienen fast so viel wie Männer“.4 Im öffentlichen Dienst Ostdeutschlands tritt das Phänomen der Verdienstdifferenz zwischen den Geschlechtern gar nicht auf, stellt das BMFSFJ in einer Studie fest.5 Angesichts der schwer nachvollziehbaren Berechnungsmethoden bleibt oft unklar, was die statistischen Ergebnisse genau bedeuten. Vielfach wird nach eindeutigen Aussagen gesucht, inwieweit Frauen bei der Bezahlung diskriminiert werden. Denn dies würde gegen das Grundgesetz und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoßen. Arbeitge ber(innen) und Tarifparteien müssten eine solche Benach teiligung beseitigen; dies ist für sie Pflicht, nicht nur Kür. Häufig gestellte Fragen lauten daher: Inwieweit deutet die Entgeltlücke von 23 Prozent auf Benachteiligung von Frauen hin? Steckt nur der unerklärte Rest von acht Prozent den Rahmen für Entgeltdiskriminierung ab? Bezogen auf Ost-West-Unterschiede: Ist im öffentlichen Sektor Ostdeutschlands schon „alles im grünen Bereich“, da dort keine Verdienstdifferenz festgestellt wird? Und bezogen auf Unterschiede in der EU: Wie ist zu erklären, dass Italien nur einen Gender Pay Gap in Höhe von 4,9 Prozent hat? (Siehe hierzu auch die Erläuterungen im Kasten auf S. 11.) Und nicht zuletzt interessiert auf der betrieblichen Ebene: Wie müssten Entgeltberichte aussehen, um geschlechtsbezogene Entgeltdiskriminierungen sichtbar zu machen? Die Antwort auf die Frage nach der Aussagekraft des Gender Pay Gap könnte kurz ausfallen: Weder die unbereinigte Entgeltdifferenz noch der statistisch unerklärte Rest sagen etwas über das Ausmaß von Entgeltdiskriminierung aus. In den gesamtwirtschaftlichen Analysen der Entgeltlücke spielen gleichstellungsrechtliche Kategorien keine Rolle. Der Gender Pay Gap beansprucht nicht, ein Indikator für Entgeltdiskriminierung zu sein. Vielmehr ist er für die Europäische Kommission einer der strukturellen Indikatoren, die zur Überwachung der europäischen Strategie für Wachstum und Beschäftigung herangezogen werden. In diesem Beitrag sollen die Unterschiede zwischen einer statistischen und rechtlichen Analyse von „Entgelt(un)gleichheit“ ausführlicher erläutert werden. Anhand von fünf Beispielen soll illustriert werden, was Statistiken zeigen und was sie verbergen können. Abschließend wird der Frage nachgegangen, zu welchen politischen Strategien und Maßnahmen die unterschiedlichen Zugänge zum Problem der Entgeltungleichheit führen. Dies wirft die Frage auf: Reicht eine Politik der Verringerung der statistischen Entgeltdifferenz aus oder ist zusätzlich eine Politik der Antidiskriminierung erforderlich?