Vom Stab- zum ebenen Flächentragwerk im Stahlbau

Geschildert wird die technologische Entwicklung der Tragwerke im Stahlbau vom Stabtragwerk hin zum Flaechentragwerk in Form einer orthotropen Platte. Die Wurzel der orthotropen Platte liegt im Laengsspantensystem des Schiffbaus von Isherwood, das aus Laengsrippen und Queraussteifungen besteht, wodurch die Laengsfestigkeit der Schiffe erheblich gesteigert werden konnte. Bei den bis Ende der 1930er Jahre erbauten deutschen Stahlbruecken wirkten Haupttraeger, Quertraeger und sekundaere Laengstraeger statisch getrennt. Um der immer staerker werdenden Konkurrenz von Betonbruecken entgegenzuwirken, suchte man im Stahlbrueckenbau nach Moeglichkeiten zur Gewichtsreduzierung, die unter anderem durch Fahrbahntafeln aus Traegerrosten mit Flachblechabdeckung, die als Plattentragwerk wirken, erzielt werden sollten. Eine zentrale Bedeutung bei der Berechnung solcher Flaechentragwerke kommt der mittragenden Breite der Gurte von Stahltraegern zu. Es wird daher folgerichtig einleitend auf die Theorie der mittragenden Breite und seine damit befassten Ingenieurwissenschaftler, beginnend bei von Karman im Jahr 1924, eingegangen. Die baustatische Modellierung der Fahrbahn als Traegerrost setzte Mitte der 1930er Jahre ein. Sie ist unter anderem gepraegt durch die Namen Gottwald Schaper, Karl Schaechterle, Fritz Leonhardt und Otto Graf. Die technische Entwicklung zur orthotropen Platte beschleunigte sich Ende der 1940er Jahre mit dem Uebergang von der Theorie der Stabwerke zur Theorie der Flaechentragwerke. Sie gipfelte in der Patentanmeldung und -erteilung fuer die orthotrope Platte. Anmelder war die Firma MAN und ihr Erfinder Wilhelm Cornelius. Cornelius vollzieht mit seiner Theorie der orthotropen Platte bewusst den Uebergang von der Stab- zur Kontinuumsstatik und geht dabei von der fuer den Stahlbetonbau von Maksymilian Huber entwickelten Plattentheorie aus. Ein weiteres Verfahren zur einfachen Berechnung von Traegerrosten entwickelte Charles Massonet auf der Basis der 1946 von Yves Guyon veroeffentlichten Theorie. Bekannt wurde es als das Verfahren von Guyon-Massonet. Es folgten zahlreiche weitere Beitraege zur Theorie der orthotropen Platte. Wurden bei der Fertigung dieser Platten zunaechst Flachsteifen, Wulstflachprofile, Kelchprofile oder V-Steifen verwendet, so erkannte man schon bald den Vorteil von Laengssteifen mit torsionssteifen Hohlquerschnitten. Den Wissensstand zur Theorie und Konstruktion von orthotropen Platten fassten 1957 Walter Pelikan und Maria Esslinger in einer Monographie zusammen, die fuer viele Jahre das Standardwerk des Stahlbrueckenbaus bildete. Dort stellten die Autoren auch ein neues, durch Versuche abgesichertes Berechnungsverfahren fuer orthotrope Platten vor. Letztlich fuehrten weitere Entwicklungen zu der heute gebraeuchlichen Musterloesung fuer solche Platten.

[1]  Walter Pelikan,et al.  Die Stahlfahrbahn Berechnung und Konstruktion , 1957 .

[2]  Karl-Eugen Kurrer Geschichte der Baustatik: Auf der Suche nach dem Gleichgewicht , 2016 .

[3]  Roman Wolchuk Orthotrope Fahrbahnplatte – Entwicklungen und Möglichkeiten für die Zukunft , 2007 .

[4]  Friedrich Bleich,et al.  Theorie und Berechnung der eisernen Brücken , 1924 .

[5]  Karl-Eugen Kurrer,et al.  Einheit von Wissenschaft und Kunst im Brückenbau: Hellmut Homberg (1909–1990) – Leben und Wirken (Teil I) , 2009 .

[6]  G. Kirchhoff,et al.  Über das Gleichgewicht und die Bewegung einer elastischen Scheibe. , 1850 .

[7]  E. Reissner Analysis of shear lag in box beams by the principle of minimum potential energy , 1946 .

[8]  Fritz Leonhardt,et al.  Die vereinfachte Trägerrostberechnung , 1950 .

[9]  Karl-Eugen Kurrer Zum 75. Jahrgang von STAHLBAU , 2006 .

[10]  Richard Bareš,et al.  Le calcul des grillages de poutres et dalles orthotropes selon la méthode Guyon-Massonnet-Bareš, , 1966 .

[11]  O. C. Zienkiewicz,et al.  International Journal for Numerical Methods in Engineering: The first 25 years and the future , 1994 .

[12]  Erich Fiedler Die Entwicklung der orthotropen Fahrbahnplatte in Deutschland , 2009 .

[13]  Michael Paschen,et al.  SPS – ein neues Verfahren zur Instandsetzung und Ertüchtigung von stählernen orthotropen Fahrbahnplatten , 2007 .

[14]  Stephen J. Kennedy Das Sandwich‐Platten‐System (SPS) , 2007 .

[15]  Markus Feldmann,et al.  Neue Technologie für die Hängebrücke über die Saar in Mettlach – Brückenfahrbahn aus Sandwich Plate System (SPS) , 2013 .