Das individuelle Pflegeverständnis auf Intensivstationen

Hintergrund: In der deutschsprachigen Fachliteratur fur Pflege wird haufig das Wort „Pflegeverstandnis“ verwendet. Die Verwendung erfolgt im Zusammenhang mit Pflegeleitbildern. Institutionen oder Pflegeeinrichtungen verwenden dabei das Wort Pflegeverstandnis als Synonym fur ein Pflegemodell oder ein Pflegekonzept. Auch im Bereich der Personalbedarfsberechnung fur Krankenhauser wird der Begriff „Pflegeverstandnis“ gefunden. Was unter dem Wort „Pflegeverstandnis“ zu verstehen ist, unterliegt bisher scheinbar keiner klaren Definition. Ziel: Diese Diplomarbeit hat zum Ziel, den Terminus „Pflegeverstandnis“ in seiner personlichen Bedeutung fur die einzelnen Pflegepersonen zu erforschen. Es sollen die Entstehung und Entwicklung des individuellen Pflegeverstandnisses bei diplomiertem Gesundheits- und Krankenpflegepersonen ergrundet werden. Im Rahmen der Arbeit soll herausgearbeitet werden, welche individuellen Merkmale dem Wort „Pflegeverstandnis“ zugeordnet werden konnten, und welche beeinflussenden Faktoren auf das Verstandnis von Pflege einwirken. Als Forschungsgegenstand wurden Pflegepersonen gewahlt, die im Bereich der Intensivpflege tatig sind, da diese in einem Spannungsfeld zwischen „high tech“- Medizin und dem Anspruch auf ganzheitliche Pflege stehen. Methode: Mit sieben diplomierten Gesundheits- und Krankenschwestern mit Sonderausbildung fur Intensivpflege wurden semistrukturierte Interviews gefuhrt. Als Methode wurde die Grounded Theory gewahlt. Die Daten wurden gesammelt und ausgewertet. In diesem Prozess der Sammlung und Auswertung wurden Kategorien und Variablen entdeckt und zugeordnet. Im Rahmen dieser Arbeit wurde keine theoretische Sattigung erreicht, allerdings konnten Hinweise auf eine Kernvariable gefunden werden. Erkenntnisse: Im Rahmen der Arbeit wurden drei wesentliche Einflussfaktoren auf das personliche Pflegeverstandnis gefunden. Die erste Kategorie sind die personlichen Eigenschaften und die eigene Lebensgeschichte als Hintergrund fur die Entwicklung von Empathie, Beobachtungsgabe, Intuition und Stressresistenz. Als weitere beeinflussende Kategorie wurde die berufliche Erfahrung gefunden, wobei Ausbildung, permanente Weiterbildung, fachliches Konnen und die daraus abgeleitete Intuition in einem engen Zusammenspiel gesehen werden mussen. Die dritte Kategorie bildet die gefuhlte Rolle als Intensivpflegekraft. Diese personliche Rolle in der Beziehung zu den Patientinnen, den Angehorigen und im Behandlungsteam ist eng gebunden an das pflegerische Selbstverstandnis. Diese drei Kategorien scheinen in ihrem Kern das individuelle Pflegeverstandnis zu bilden, das sich im Gefuhl der personlichen Verantwortung fur das Wohlergehen des betreuten Menschen ausert. Schlussfolgerung: Die vorliegende Arbeit kann als erster Schritt gesehen werden, die komplexen Zusammenhange zwischen Pflegekompetenz und Pflegeverstandnis darzustellen. Da das Verstehen ein dynamischer, autopoietischer Vorgang ist, wird wohl nie eine vollige Klarung des Begriffes „Pflegeverstandnis“ moglich sein, allerdings konnten wertvolle Hinweise fur die Ausbildung und das Verstandnis des Berufes durch eine weitere Auseinandersetzung mit dem Thema entstehen.