Die Gesetzgebung besteht wesentlich in der Erzeugung (Promulgation) und Aufhebung (Derogation) von Rechtsnormen. Wird die Rechtsordnung als ein Normensystem, d.h. als eine Menge von Rechtsnormen, einschlieslich aller ihrer logischen Folgen, aufgefast, so ergibt sich, das die Erzeugung einer Norm mehr als schlichte Einzufugung der ausdrucklich promulgierten Norm zum gegebenen System ist; auch die mit ihrer Hilfe ableitbaren Normen werden dadurch zum System hinzugefugt. Aber die Promulgation ist stets eindeutig: Sie fuhrt immer zu einem (neuen) System. Dagegen ist die Sachlage bei der Derogation wesentlich komplizierter: Sie besteht nicht nur in der Aufhebung der ausdrucklich derogierten Norm, sondern auch in der Vernichtung aller sie implizierenden Normen, sowie jener Normen, fur deren Ableitung die derogierte Norm notwendig ist. Das kann unter Umstanden zur logischen Unbestimmtheit des Normensystems fuhren: Statt eines Systems haben wir dann eine alternative Mehrzahl von moglichen Systemen. Dies zeigt, das die Rechtsordnung nicht immer eindeutig bestimmt ist. Dieser Sachverhalt kann vor allem dann eintreten, wenn der Gesetzgeber bei der Derogation die Generalklausel benutzt. Die logische Unbestimmtheit der Normenordnung mus von — vom Stand der praktischen Folgen ahnlichen — Situationen, wie der Rechtslucke (UnVollstandigkeit des Systems) oder dem Normenkonflikt (Widerspruchlichkeit des Systems) unterschieden werden.
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