Zur Lehre vom Krebs der Bronchien und der Lungen

Meine Herren ! Ich beabsichtige, Ihnen heute einige Mittheilungen über den Lungen-, insbesondere auch über den Bronchialkrebs zu machen. Ich hatte in der jüngsten Zeit Gelegenheit, zwei Fälle von primärem Broncliialkrebs zu beobachten. Es gab mir dies die Veranlassung, mich mit diesem Gegenstande eingehender zu beschäftigen. Es sollen daher diese beiden Fälle auch den Ausgangspunkt unserer heutigen Betrachtung bilden. Dass dieselben für die ärztliche Behandlung keine dankbaren Aufgaben bildeten , brauche ich nicht erst zu betonen. Beide Fälle sind zur Section gekommen und daher als beweiskräftiges Material für unsere Besprechung verwerthbar. Ich werde indessen hier über die anatomischen Verhältnisse nur so viel reden , als für das ärztliche Verständuiss unerlässlich Ist. Wir werden uns daher vielmehr im wesentlichen mit symptomatologisclien und díagnostischen Fragen zu befassen haben. Man kann heute nicht mehr mit William Stokes2) welcher w'ohl zuérst ein fast vollständiges Krankheitsbild des Lungenkrebses entworfen und sich über die für die Diagnose desselben massgebenden Gesichtspunkte in so ausführlicher und mustergültiger Weise geäussert bat, dass auch die späteren Beobachter seiner Darstellung nichts wesentlich neues hinzufügen konnten sagen, dass zur Ermittelnng der Diagnose dieses Zustandes bisher wenig geschehen sei; denn die Litteratur über den Lungeiikrebs ist im Laufe der Zeit eine ziemlich umfängliche geworden. ludessen erscheint es mir immerhin der Mühe werth, mir für diesen Gegenstand Ihre Aufmerksamkeit zu erbitten. Ich gehe vom Krebs der Bronchien aus, und zwar deswegen, weil der sogenannte primäre Lungenkrebs nach Ansicht der Anatomen sich in sehr vielen Fällen von den Bronchien aus entwickelt, anscheinend zum mindesten ebenso häufig, wie der primäre Leberkrebs von den Gallengängen aus seine Entwickelung beginnt. Wfr wollen hierbei die immer noch umstrittene Frage ausser Acht lassen, ob der primäre Broncbialkrebs sich von der Sclileimhaut der Bronchien aus entwickelt3) oder, wie H. Stilling4) will, von anderen Theilen der Bronchialwand. Jedenfalls werden wir aber, dem Bedürfnisse der ärztlichen Praxis entsprechend, die Lungenkrebse in zwei Kategorieen sondern dürfen, nämlich 1) in solche, bei denen der Krebs allein oder fast allein auf die Bronchien beschränkt bleibt, und 2) in solche, wobei gleichgültig ob der Krebs von den Bronchien ausgeht oder nicht jedenfalls in grüsserer Ausdehnung das Lungenparenchym selbst krebsig erkrankt. Bleibt der Krebs auf die Bronchiaiwand allein beschränkt, oder macht er in ihrer nächsten Umgebung geringfügige Localisationen in den Lungen, oder veranlasst er beziehungsweise solche in den nächstgelegenen, der direkten Untersuchung nicht zugämiglichen intrathoracischen Lymphdrüsen, so dürften sich meisten-