Biotoppflege als neue Funktion und Leistung der Tierhaltung
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Biotopbeweidung mit der Leistung Pflege kann als neue Funktion der Tierhaltung verstanden werden. Die „Biotoppflege mit Nutztieren“ ist dabei eine spezielle Auspragung der „Kulturlandschaftspflege mit Nutztieren“, die sich vor allem auf den biotischen (Flora und Fauna) und weniger auf den asthetischen (Landschaftsbild) und abiotischen Schutz (Wasser, Boden, Luft) bezieht. Sie stellt eine tiergebundene Nutzung geschutzter Grunlandstandorte dar, insbesondere der verschiedenen Auspragungen der Magerrasen und des Feuchtgrunlandes, und kann als „pflegende Nutzung“ bzw. „nutzende Pflege“ geschutzter Biotope verstanden werden.
Obwohl eine Reihe von Biotopen durch jahrhundertelange Beweidung gepragt wurden, ist sie als gezieltes Instrument der Pflege relativ jung (TREPL, 1994). Sie hat erst seit Mitte der achtziger Jahre fur den Naturschutz und auch fur die Tierhaltung an Bedeutung gewonnen. Sie ist auf der einen Seite eine kostengunstige, flexible und agrarhistorisch adaquate Moglichkeit der Erhaltung von „historischen Kulturlandschaften“, andererseits stellt sie durch die „Pflegepramien“ eine zusatzliche Einkommensquelle fur die Tierhalter dar. Die wirklichen Leistungen und Kosten sind bislang jedoch nur durch iteratives Verfahren ermittelt worden und basieren nicht auf direkten Messungen. Diese sind dadurch erschwert, das okologische Leistungen nur bedingt monetar mesbar sind (HAMPICKE, 1991a). Gesellschaftlicher Nutzen steht individuellen Kosten gegenuber, es gibt keinen direkten Nachfrager nach dem Gut „geschutztes Biotop“. Die damit ausgedruckte soziale, okonomische und okologische Dimension der Biotoppflege spiegelt dabei den holistischen Ansatz wider.
Da das Themengebiet „Biotoppflege mit Nutztieren“ sehr umfangreich ist (NATURLANDSTIFTUNG HESSEN, 1997), konzentriert sich diese Arbeit auf die Entbuschung als eine wichtige Masnahme in der Biotoppflege durch die Okologische Ziegenhaltung. Obwohl es kein Biotop in Deutschland gibt, das dem Einflus der Ziegenbeweidung zugesprochen werden kann, hat der Einsatz der Ziege in der Biotoppflege an Bedeutung gewonnen (RAHMANN, 1998c). War es fruher unter Strafe verboten, Ziegen im Wald weiden zu lassen, so werden diese heute gezielt eingesetzt. Der einst okologisch negativ bewertete Geholzverbis wird als Grundlage fur eine Entbuschung angesehen und stellt dabei eine Alternative zur arbeitsaufwendigen und kostenintensiven manuellen oder maschinellen Entbuschung dar. War die Ziege fruher die „Kuh des kleinen Mannes“, so hat sie durch die Biotoppflege einen elementaren Funktionswandel erfahren. Ihr Leistungsvermogen ist bislang jedoch nicht ermittelt und bewertet worden. Diese Tierart eignet sich deswegen fur eine ganzheitliche Analyse einer Pflegeleistung. Es sind bereits eine Reihe von Detailarbeiten zur Biotoppflege mit Ziegen erstellt worden (zum Beispiel SCHRODER, 1995; RIEHL, 1992). Bislang sind diese jedoch meist aus disziplinarer, vorwiegend okologischer Sichtweise erfolgt, eine holistische Bewertung wurde dabei nicht vorgenommen.
Die Zusammenstellung bisheriger Arbeiten und eine experimentelle und empirische Erganzung mangelhaft oder nicht dargestellter Elemente in einem systemtheoretischen Ansatz ist Ziel dieser Arbeit. Konzeptionell ist diese Arbeit grundsatzlich auch fur andere Biotoptypen, Pflegemasnahmen und/oder Nutztierarten geeignet. Damit ist eine Grundlage fur weitere wissenschaftliche Forschung erarbeitet worden. Im experimentellen Teil sollen okologische und betriebssystematische Fragen beantwortet werden. Diese beziehen sich auf die Fragen der okologischen und tierethologischen Unbedenklichkeit, der physischen Entbuschungsleistung, des technischen und betrieblichen Ablaufes sowie der Wirtschaftlichkeit. Im empirischen Teil sollen am Beispiel des Landkreises Gottingen und des Werra-Meisner- Kreises die agrarstrukturellen Rahmenbedingungen und die Bedeutung fur die Regionalentwicklung aufgezeigt werden. Erfolgreiche Vermarktungsstrategien aus dem Biospharenreservat Rhon runden das Thema auch aus okonomischer Sicht ab. In der zusammenfassenden Diskussion werden auf dieser Basis die Fragen beantwortet, die im theoretischen Teil uber den Stand der Wissenschaft identifiziert worden sind:
• Ist die Biotoppflege mit Ziegen mit den gegenwartigen Leitbildern der Biotoppflege vereinbar?
• Ist die Ziege aus physiologischen und ethologischen Grunden fur eine Entbuschung geeignet?
• Ist die Beweidung von Kalkmagerrasen mit Ziegen okologisch vertretbar?