Diabetesspezifische Gesundheitskompetenz: Was wissen türkischstämmige Menschen mit Diabetes mellitus 2 über ihre Erkrankung?

Uber die grose Gruppe von Migrantinnen und Migranten mit Typ-2-Diabetes liegen bislang kaum Untersuchungen vor. In diesem Beitrag werden 2 Fragen untersucht: 1) Wie ausgepragt ist das Wissen von turkischstammigen Menschen mit Typ-2-Diabetes uber ihre Krankheit? 2) Welche Faktoren beeinflussen dieses Wissen und ihre Kompetenzen im Umgang mit der Erkrankung? In Kooperation mit 15 Arztpraxen wurden in Hamburg 294 turkischstammige Menschen mit Typ-2-Diabetes von turkischsprachigen Interviewerinnen personlich befragt. Da fur diese Population kein etabliertes Konzept zur Messung der Gesundheitskompetenz vorliegt, ubernahmen wir einzelne Fragen aus anderen Tests und erganzten sie um eigene Items. Neben Diabetes-Wissen-Tests mit offenen und geschlossenen Fragen mussten die Patientinnen und Pa­tienten einen Lese-Test und ein Deutsch-Screening absolvieren. Daruber hinaus wurden soziodemografische Variabeln und Diabetes-Schulungen ­erfasst und in die Auswertungen in Form von Hauptkomponentenanalysen und multiplen Regressionen einbezogen. Die Befragten leben im Schnitt 32 Jahre in Deutschland, dennoch sprechen 40% kein Deutsch. 25% haben keine schulische Ausbildung und 21% konnen weder (Turkisch) lesen noch schreiben. Wenngleich etwa 60% eine Diabetesschulung besucht haben, zeigt sich, dass das Wissen um die Erkrankung dennoch gering ist: nur 15% konnten die Diabeteserkrankung mit eigenen Worten ausreichend erklaren. Mit einer Dimensionsanalyse lasst sich „theoretisches“ und „verhaltensrelevantes“ Diabeteswissen differenzieren. Wahrend ersteres sich starker auf Bildungseffekte, deutsche Sprachkompetenz und zusatzlich auf eine erfolgte Schulung zuruckfuhren lasst, kovariieren verhaltensrelevante Kompetenzen nur mit der Teilnahme an Schulungen. Die jeweiligen Schulungseffekte bleiben allerdings auf eher niedrigem Niveau und konnen die Bildungsabhangigkeit des theoretischen Dia­betes-Wissens nicht kompensieren, sodass der ­insgesamt (zu) geringe Grad an Gesundheits- und Diabetes-Wissen nur geringfugig verbessert wird. Bildung, eine Teilnahme an Diabeteschulungen und Sprachkompetenz sind die Haupterklarungsfaktoren fur Diabeteswissen. Eine fur die grose Gruppe der turkischstammigen Menschen bildungsniveau-adaptierte Schulung konnte hier zu Verbesserungen fuhren. Zudem sollte das brach liegende Potenzial von Selbsthilfegruppen gefordert werden, denn in der untersuchten Population berichtete lediglich eine Person, sich hier Unterstutzung gesucht zu haben.