Dreidimensionale Bewegungsanalyse nach interner Stabilisierung von Beckenringfrakturen Eine Computersimulation

ZusammenfassungBiomechanische Versuchsreihen beantworten Fragen zur Implantatsteifigkeit, zur Steifigkeit des Implantat-Knochen-Verbundes, ermitteln Belastungsgrenzen, meist als “Versagensversuche” oder dienen der Überprüfung von Änderungen des Implantatdesigns. Während für die überwiegende Zahl dieser Untersuchungen die Betrachtung linearer oder zweidimensionaler Bewegungen ausreichen, lassen sich Fragen zur komplexen Mechanik des “Ringsystems Becken” nur unter Verwendung “dreidimensionaler Messsysteme” ausreichend beschreiben und nachvollziehen. Mit Hilfe derartiger Messsysteme wurden in eigenen Untersuchungen verschiedene Osteosynthesen am hinteren Beckenring vergleichend untersucht. Neben der Beantwortung von Fragen zur “Belastungsgrenze” der einzelnen Osteosynthesen fiel bei der Durchsicht der Last-Weg-Kurven, insbesondere bei zyklischen Belastungen unterhalb der “Versagensgrenze” auf, dass den einzelnen Osteosynthesen oder Implantatkombinationen “typische” Bewegungsmuster zugeordnet werden konnten. Durch Übernahme der “dreidimensionalen” Datensätze in ein einfaches Computeranimationsprogramm war es möglich, diese Bewegungen darzustellen und durch wiederholte Beobachtung erschöpfend zu analysieren.Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, mit vorhandenen Messdaten eine systematische Analyse der Bewegungsmuster verschiedener Osteosynthesen am hinteren Beckenring vorzunehmen und zu prüfen, ob damit “Schwächen” einer Osteosynthese aufgedeckt werden können, ohne die Belastungsgrenze zu überschreiten. Für die verwendeten Osteosynthesen fanden sich spezifische und auch reproduzierbare Bewegungsmuster.Die Untersuchungen wurden am Versuchsmodell des knöchernen Beckenrings im Einbeinstand mit statischer Simulation der Abduktorenmuskulatur unter zyklischer Belastung untersucht. Das Frakturmodell 1 bestand in einer transforaminalen Sakrumosteotomie in Kombination mit Symphysensprengung (Typ AO/OTA C1), die ventral jeweils einheitlich durch Symphysenplatte stabilisiert wurde. Die verschiedenen dorsalen Stabilisierungsmethoden zeigten folgende Bewegungsmuster: Bei der Verwendung von transiliosakralen Zugschrauben besteht unter Last im wesentlichen eine Rotationsbewegung der Fragmente um die Schraubenachse (auch bei Verwendung von 2 Schrauben), die insbesondere bei der Osteosynthese von Sakrumfrakturen zu deutlichen Relativbewegungen im distalen Anteil des Frakturspalts führen. Bei der Verwendung von Sakralstäben kommt es unter Last zu einer partiellen Kompression der sakralen Frakturlinie und Scherbewegungen. Der Einsatz von “lokalen Platten” zur Sakrumstabilisierung minimiert die Bewegungen im proximalen Frakturanteil (hier werden minimale Translationsbewegungen parallel zum Frakturspalt beobachtet), eine Distraktion im distalen Frakturbereich kann jedoch nur durch ein zweites sicher verankertes und frakturübergreifendes Implantat möglichst distal (Platte in Höhe S3) verhindert werden.Die Untersuchungen der SI-Gelenksprengung zeigten im gleichen Modell folgende Bewegungsmuster: Ein intaktes Beckenmodell wird zum Vergleich gemessen und zeigt die gelenktypischen Nutationsbewegungen. Es erreicht die höchste Belastungsstufe. Für die ventralen Plattenosteosynthesen ergibt sich wie in den Sakrumversuchen eine Minimierung der Bewegung im proximalen Frakturanteil bei geringer Translationstendenz parallel zum Frakturspalt. Für die Transiliosakralen Zugschrauben finden sich wieder die gesehenen Rotationsbewegungen.Das vorgestellte System erleichtert das Verständnis zum Deformationsverhalten unter Last nach Beckenringosteosynthese. Es kann dazu dienen Implantatpositionen zu optimieren und ggf. Implantatdimensionen und Implantatdesign zu modifizieren; ggf. lässt sich durch “zerstörungsfreie” Testreihen durch Einsatz von komplexen Computermodellen (finite Elemente) zukünftig ein ökonomischerer Einsatz von Präparaten erreichen.AbstractSeveral studies exist describing the biomechanical behavior of several external or internal fixation techniques of the posterior and anterior pelvic ring. Recently, the traditional models using isolated anatomical sections or fixed pelvic ring specimens for evaluation of linear or two-dimensional data have been replaced by three-dimensional measurement systems and simulations of muscle forces. These studies have contributed important information to the understanding of the biomechanics of the intact and injured pelvic ring, however, a consequent movement analysis is still missing.In the present study, 3-D data acquired during several series of testing implants for stabilization of the posterior pelvic ring (sacrum: sacral bars, sacral plates, transiliosacral lag screws; SI joint: anterior plates, transiliosacral lag screws), using a complete pelvic ring model with single leg stance and static abductor muscle simulation, were converted into a commercially available 3-D animation package. By use of simple graphical representation of anatomical elements of the posterior pelvic ring, reproducible and reliable movement patterns for different types of stabilization could be identified, which demonstrated potential “weakness” of the fixation before failure occurred. These movements were analyzed by “replay functions” and were comparable to observations during the original experiment. The following movements were observed. Sacral fracture, transforaminal: (1) rotation of the transiliosacral lag screws around its axis, even with a second screw into S1; (2) Sacral bars: shearing with compression of the cranial-posterior fracture zone; (3) Sacral plates: minimal translation in the proximal fracture zone and distraction in the distal fracture line, effectively compensated by an additional plate at the S3 level.SI joint disruption: (1) anterior plating (two plates), minimal translation in the plane of the SI joint; (2) transiliosacral lag screws, rotational movement around the axis of the screws with only minimal movement at the S1 level.The provided information confirmed the observations and allowed a more detailed and comfortable examination of movement patterns. A better understanding of potential “failure zones” might be useful to optimize the dimensions, design, and the positioning of implants for the pelvic girdle. For further studies, more complex computer models including finite element technology might be useful to add accessory information and could result in a decreased need of living specimen testing.