HOW FAR CAN YOU GO? ZUM STAND DER LITERATUR- WISSENSCHAFTLICHEN DEBATTE IN GROSSBRITANNIEN

In den ersten Monaten des Jahres 1974 konnte man in der Leserbriefspalte des Times Literary Supplement eine kuriose Kontroverse verfolgen, die einen aufschlußreichen Einblick in die Lage des englischen literary criticism und der institutionali-sierten English studies bot. Was war geschehen? Am 18. Januar hatte J ohn Sparrow, seines Zeichens Warden des All Souls College Oxford, die gewagte These aufgestellt, Miltons berühmtes Sonett "When I consider how my light is spent ... " trage zu Unrecht den zugeschriebenen Titel "On His Blind-ness"; denn Milton, so folgerte Sparrow nach penibler Analyse und sorgfältigem Abwägen der "pros and cons", beklagte hier weder den Verlust seines Augenlichts noch, wie alternativ ver-mutet, das Nachlassen seiner Schöpferkraft; eine andere Kraft sei "that one Talent which is death to hide/lodg'd with me use-less": nämlich Miltons Manneskraft, die er zu den beiden in Frage kommenden Entstehungszeiten des Gedichts wegen dokumentierter ehelicher Probleme bzw. wegen des Todes sei-ner Frau frustriert habe zügeln müssen. Die letzte Zeile des Sonetts, so Sparrow abschließend, erfahre durch solche Lesart eine "vollere und lebendigere Bedeutung": "They also serve who only stand and wait"l. Ein Sturm der Entrüstung brach los-wochenlang druckte TLS engagierte Reaktionen ab. Kaum einer mochte die unkon-ventionelle, wenn auch stimmig vorgebrachte Interpretation Sparrows akzeptieren-die meisten wiesen sie als offensichtlich abwegig, lächerlich und vor allem geschmacklos zurück. Die Vehemenz, mit der dies geschah, ließ allerdings vermuten, daß es sich bei diesem Streit nicht um eine alltägliche Meinungsver