Anmerkungen zum Problem der Abstraktion

Die gegenwartigen Herausforderungen der Gestaltung der MenschComputer-Interaktion sind mit den alten Modellen der Mensch-ComputerInteraktion nicht zu bewaltigen. Der Bedarf nach Modellen begreifbarer, mobiler, pervasiver, ubiquitarer Interaktion fur augmentierte oder gemischte Welten wachst. In diesem Positionspapier mache ich aus der Sicht der Tatigkeitstheorie Anmerkungen zum Problem der Abstraktion, das in bisherigen Konzepten der tangible Interfaces als ungelost gilt. Mit Bezug auf Konzepte der Embodied Interaction und des Enactive Interfaces nenne ich notwendige, jedoch nicht hinreichende Bedingungen der Losung. Tangible user interfaces und das Problem der Abstraktion Tangible User Interfaces (TUIs) “give physical form to digital information, employing physical artefacts both as representations and controls for computational media” (Ullmer and Ishii 2000). TUIs ermoglichen die Beruhrung, interaktive Erfahrung von wesentlichen Eigenschaften digitaler Systeme und unterstutzen auf diesem Wege das Begreifen. Als Merkmale gelten: (1) die isomorphe Beziehung zwischen physikalischer Form und digitalem System; (2) unter Berucksichtigung raumlicher, konstruktiver, logischer und assoziativer Beziehungen physikalischer Objekte; (3) die Nutzung von Konzepten der Affordances [Gi77] des physikalischen Raums und der physikalischen Syntax, vgl. [Zi08]; (4) die Kopplung von Wahrnehmung, und Handeln. – Als Schwache der TUIs gilt das, was eine Starke der GUIs ist. TUI eroffnen nur begrenzte Moglichkeiten des Umgangs mit Abstraktion. Sie sind nicht skalierbar. Sie sind nicht plastisch und nicht flexibel [Zi08]. GUIs sind dies und Zigelbaum sucht nach Moglichkeiten der Verbindung, die eine kontinuerliche, “nahtlose” Interaktion im alltaglichen Leben unterstutzen. Bei dem Wunsch nach nahtloser Interaktion habe ich allerdings meine Zweifel. “Seams” and “seamfull” Design machen Sinn bei mobilen, pervasiven und ubiquitaren Spielen und ich vermute hier nur, dass das bei Ubergangen zwischen Ebenen der Abstraktkion und Konkretion ebenfalls Sinn machen kann. Dennoch ist die Frage nach der Verbindung von Physikalitat und Abstraktion aufzuwerfen. Ein Blick auf die gegenwartige Diskussion in der HCI und auf Konzepte der embodied interaction und der enactive Interfaces eroffnet eine Losungsrichtung, wenn auch noch keine Antwort. Embodied Interaction und die Einheit von Korper und Geist Die gegenwartige Diskussion in der HCI lasst sich zunehmend deutlich durch zwei polare Konzepte kennzeichnen, das representationale und das interaktionale Konzept. Das reprasentationale Konzept setzt die Trennung von Physikalitat und Abstraktion voraus, die Trennung von Korper und Geist. Es stellt die Perspektive des digitalen Systems dar bzw. die Perspektive des Informatikers, der ein System entwirft und implementiert. Diese Perspektive kennzeichnet den Mainstream der Informatik seit Jahrzehnten. Das interaktionale Konzept formuliert die Verbindung von Abstraktion und Physikalitat. Es orientiert auf die Verkorperung der Abstraktion. Diese Perspektive existiert als Gegenstromung in der Philosophie und hat in den letzten Jahren in der Informatik deutlich an Einfluss gewonnen. Beide Konzepte finden sich zum Beispiel in der Diskussion um Kontext und Context-aware Systems [Do04], der Debatte um Emotion und affective Computing [Ho08] sowie in der Auseinandersetzung um Methoden der Evaluation [Ma00]. – Auf dem Hintergrund dieser Debatte werden Tangible Interfaces als der Versuch wahrnehmbar, die Trennung von Abstraktion und Physikalitat durch Herstellung/Vorgabe isomorpher Beziehungen aufzuheben. Ubersehen wird dabei jedoch die Rolle des Subjekts der Abstraktion, der fur das Subjekt relevante Ansatz der Abstraktion und der fur das Subjekt spezifische Prozess der Abstraktion und Konkretion. – Hier wird nun der Vorschlag gemacht, die Losung in der Verbindung der gegensatzlichen Positionen der Debatte zu suchen. Wenn das reprasentationale Konzept die Perspektive des Systems vorstellt, dann lasst sich die Perspektive des interaktionalen Kontexts durch die Rahmenbedingungen (und deren direkte Interaktion) kennzeichnen, die beim Gebrauch des Systems benotigt werden: die Akteure, die Gerate und die objektiven Bedingungen des Gebrauchs. Dies sind Bedingungen der Tatigkeit(stheorie). Konzeptionell wird damit die Orientierung auf Tatigkeitszyklen unterstutzt, in denen die Abstraktion und die Aufhebung der Abstraktion durch Konkretion von den Akteuren selbst vorgenommen wird. „Embodied Interaction“ und das „Enactive Interface“ unterstutzen eine solche Losungsrichtung. Literaturverzeichnis [Do04] Dourish, P. (2004). What We Talk About When We Talk About Context. Personal and Ubiquitous Computing, 8 (1). 19-30 [Gi77] Gibson, J. J. (1977), The Theory of Affordances. In Perceiving, Acting, and Knowing, Eds. Robert Shaw and John Bransford [Ho08] Hook, K., Stahl, A., Sundstrom, P., Laaksolahti, J., Hook, K., Stahl, A., Sundstrom, P., & Laaksolahti, J. (2008). Interactional empowerment. Proceedings of the ACM SIGCHI Conference on Human Factors in Computing Systems. ACM Press. [Ma00] Marsland N., Wilson I.M., Abeyasekera S., Kleih U. A methodological Framework for Combining Quantitative and Qualitative Survey Methods. Natural Resources Institute, University of Greenwich, Statistical Services Centre Whiteknights, UK: The University of Reading 2000. www.reading.ac.uk/ssc/publications/guides/qqa.pdf [UI00] Ullmer, B., Ishii, H.: Emerging frameworks for tangible user interfaces. IBM Systems Journal 39 (2000), S. 915–931 [Zi08] Zigelbaum, J., Kumpf, A., Vazquez, A., and Ishii, H. Slurp: Tangibility, Spatiality, and an Eyedropper. In Ext. Abstracts, alt.chi CHI ‘08, ACM Press (2008)