Die Erregungskonstellationen im Rautenhirn des Kaninchens bei den Labyrinthstellreflexen (Magnus)

W.R. HEss hat in einer im Jahre 194t erschienenen Arbeit [9a~ -yon Beobachtungen fiber den Fixationsakt ausgehend -darauf hingewiesen, dab die bei der Motorik produzierten Kr/ifte und Bewegungen nichts anderes darstellen als die extrazentrale Projektion im Zentralnervensystem aufgebauter ,,Erregungsgebilde": ,Die Handlung ist das mechanische Abbild eines nerv6s repr~isentierten Entwurfs ' E9b~. HEss muBte t941 der Meinung sein, dab die Organisation dieser zentralen Erregungsbilder mit den damals zur Verffigung stehenden Mitteln nicht aufzukl~iren sei. Wir haben heute aber die M6glichkeit, die Aktivit~it einzelner nervaler Elemente mittels der Mikroelektrode und des Kathodenstrahloszillographen unter dem EinfluB verschiedener Reizkonstellationen zu registrieren und anschlieBend die simultan nicht darstellbaren Erregungsbilder durch eine Zusammenschau der Frequenzg~nge einzelner Neurone zu rekonstruieren. In der vorliegenden Arbeit wird der Versuch unternommen, auf Grund gemeinsam mit K. P. SCHAEFER seit t956 durchgeffihrter extrazellul~rer Registrierungen einzelner Neurone im Rautenhirn des Kaninchens [3a--c~ jene Erregungskonstellationen aufzuzeigen, die den MAGNusschen vom Labyrinth auf den Kopf wirkenden Reflexen (,,Labyrinthstellreflexen" [161) zugrundeliegen. Nit diesem Versuch gewinnen wir zugleich Einblicke in die Organisation einer Funktionsstruktur, welche das heute wieder im Mittelpunkt des Interesses stehende extrapyramidale motorische System fundiert. Da in der Phylogenese der Vertebraten das Labyrinth -im Gegensatz zur Cochlea -keine Weiterentwicklung erfahren hat, dfirfte es zul~issig sein, die Resultate zu verallgemeinern und auf entsprechende Erregungsbilder im Rautenhirn des Menschen zu fibertragen. Bei den Labyrinthstellreflexen auf den Kopf ist zu unterscheiden zwischen Reaktionen auf Drehbeschleunigungen und tonischen Lagereaktionen. Eine reine Bogengangsreaktion wird ausgel6st, wenn man ein Tier auf eine Drehscheibe setzt und nach einer Seite andreht. Hierbei t r i t t w~ihrend des Geschwindigkeitszuwachses Kopfwendung zur Gegenseite ein. Bei den Kippungen um eine quere oder sagittale Achse gehen Lageund Beschleunigungsreaktion Hand in Hand. Hebt man etwa das kopfseitige Ende des Brettes, auf welchem das Tier steht, (oder das am Rumpf ergriffene Tier), so findet Kopfbeugung (s. Fig. t b) und beim Senken des vorderen Endes des Tieres reflektorisches Kopfheben stat t (s. Fig. 1 c). Hfilt man das Tier in abnormer Position fest, so schliel3t sich an die gemeinsam vom Bogengang und den Lageorganen her veranlal3te Gegenbewegung des Kopfes eine von den Sta-

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