Über die Kinetik der Kettenpolymerisationen

Zur Erfassung des Reaktioneverlaufes von Kettenpolymerisationen stehen drei meßbare Größen zur Verfügung: 1. Die Geschwindigkeit der Polymerisation (mengenmäßig), 2. die Zeitabhängigkeit des mittleren Molekulargewichtes, 3. die Verteilung der Molekulargewichte im Reaktionsprodukt. Auf Grund einer eingehenden Messung dieser drei Größen kann der yon H . STAUDINQER aufgestellte Mechanismus der Polymerisationereaktionen bestätigt und ausgebaut werden, nach dem bei der Polymerisation drei Teilvorgänge zu unterscheiden sind: Der Primärvorgang (Aktivierung), das Kettenwachstum und der Kettenabbruch. Der Primärvorgang ist eine nach der ersten Ordnung fortschreitende Reaktion, die wegen ihrer Langsamkeit die Geschwindigkeit des Gesamtverlaufes bestimmt. Ihre Aktivierungswärme beträgt 23200 cal., ihre Aktionskonstante ist sehr niedrig (106-3S). Aus der Verteilung der Molekulargewichte im Reaktionsprodukt ergibt sich, daß die mittlere Kettenlänge der entstehenden Moleküle durch das Geschwindigkeitsverhältnis * der Abbruchund der Wachstumsreaktion bestimmt wird. Daraus, daß das mittlere Molekulargewicht während des ganzen Reaktionsverlaufea annähernd konstant bleibt, ergibt sich, daß nicht nur das Kettenwachstum, sondern auch der Kettenabbruch eine bimolekulare Reaktion ist. Eine Diskussion der Gesetzmäßigkeiten der Katalysatorwirkung macht es sehr wahrscheinlich, daß der Kettenabbruch durch die Reaktion zweier wachsender Moleküle miteinander eintritt, wobei durch Austausch eines Wasserstoffatomes die freien Endvalenzen abgesättigt werden. Durch diesen Mechanismus kann auch die Abhängigkeit der Kettenlänge von der Temperatur quantitativ erfaßt werden. Geschwindigkeitsmessungen ergeben, daß die Wachstumsreaktion mindestens 1010mal schneller vor sich geht als der Primärvorgang.