Eine Wirtschaftsregierung für Europa? Die EU braucht bessere governance, aber kein gouvernement économique

Die Idee einer europaischen Wirtschaftsregierung ist so alt wie die Plane fur das Projekt der europaischen Wirtschafts- und Wahrungsunion (EWU). Sie wurde schon im Rahmen der ersten Uberlegungen zu einer EWU formuliert und seitdem insbesondere von franzosischen Politikern und Okonomen immer wieder aktualisiert. Zuletzt forderte der franzosische Staatsprasident Nicolas Sarkozy, dass die aktuelle Staatsschuldenkrise in einigen peripheren Landern der Eurozone ein gouvernement economique der 16 Euro-Mitglieder mit einem eigenen Generalsekretariat auf europaischer Ebene zur Folge haben musse. Um die Frage zu beantworten, ob wir eine Wirtschaftsregierung brauchen, werden in der vorliegenden RWI Position nach einem Vorschlag zur Definition zunachst fruhe Konzepte einer europaischen Wirtschaftsregierung sowie franzosische Vorstellungen aus der Vorbereitungs- und Grundungsphase der EWU dargestellt. Anschliesend werden aktuellere Konzeptionen diskutiert, die seit Beginn der EWU entwickelt wurden und teilweise auch als Reaktion auf die aktuelle Staatsschuldenkrise in der EU vorgeschlagen wurden. Vor diesem Hintergrund werden dann die wesentlichen Argumente fur die hier vertretene Position erlautert, dass die EU keine Wirtschaftsregierung im Sinne eines gouvernement economique benotigt, sondern vielmehr eine gestarkte wirtschaft spolitische Koordination durch ein verbessertes System der economic governance. Drei Masnahmen sollten dabei im Mittelpunkt stehen: Notwendig ist erstens eine verbesserte wirtschaftspolitische Uberwachung von strukturellen Fehlentwicklungen, welche die einzelnen Mitgliedstaaten fruhzeitig auf notwendigen Strukturreformen hinweist. Zweitens muss ein gestarkter Stabilitats- und Wachstumspakt die Soliditat der Staatsfinanzen nachhaltig sichern und dabei dem Kriterium des akkumulierten Schuldenstandes grosere Bedeutung als bisher beimessen. Drittens ist es richtig, dass die Staats- und Regierungschefs der EU im Dezember 2010 eine beschrankte Veranderung des Lissabon-Vertrages beschlossen haben, um einen permanenten Stabilitatsmechanismus mit Vorkehrungen fur eine Beteiligung privater Glaubiger zu etablieren. Wenn die Regierungen der Eurozone den politischen Willen fur diese drei Reformen aufb ringen, dann kann die Europaische Wirtschafts- und Wahrungsunion auf Dauer erfolgreich sein. Europa braucht dafur keine foderale Wirtschaft sregierung, wohl aber eine Prazisierung und sanktionsbewehrte Starkung der Regeln fur die nationalen Wirtschaftspolitiken im Rahmen der Wahrungsunion.