Ökonomische Perspektiven des Web 2.0 – Open Innovation, Social Commerce und Enterprise 2.0

Der von Tim O’Reilly geprägte Begriff Web 2.0 hält Einzug in den Unternehmen. Mit dem Begriff sind Internettechniken und -dienste gemeint, welche die Veränderung des Webs zu desktopähnlichen Internetanwendungen (rich internet applications) unterstützen, bei denen die Interaktion der Internetnutzer eine zentrale Rolle spielt. Generierung, Tausch sowie Verknüpfung von Inhalten und Wissen durch die Internetnutzer stehen hierbei im Vordergrund. Social Software stellt dabei eine der wichtigsten Komponenten dar (Hippner und Wilde 2005, S. 441–444; Bächle 2006, S. 121–124). O’Reilly (2005) definiert in seinem Initialbeitrag zu Web 2.0 sieben konstitutive Prinzipien: 1. The Web as Platform: Das Web stellt die zentrale Informationsund Kommunikationsplattform dar, die das Erstellen von Anwendungen und Inhalten erlaubt, welche mittels offener Standards und Protokolle weitgehend beliebig untereinander integrierund miteinander vernetzbar sind. 2. Harnessing Collective Intelligence: Hierunter wird verstanden, dass die Kumulation von Informationen in Gruppen zu Aussagen und Entscheidungen führen kann, die oft besser sind, als sie von einem Einzelnen getroffen werden könnten. Die Gruppe weiß mehr als der Einzelne und stellt dieses Wissen der Allgemeinheit zur Verfügung. Dies wird auch als „Wisdom of Crowds“ bezeichnet (Gruppenbzw. kollektive Intelligenz). 3. Data is the next Intel Inside: Die Kumulation von Daten bzw. Informationen ist wichtiger als die Funktionalität einer Anwendung. Aggregierte, kumulierte und vernetzte Informationen, unter anderem gesammelt nach dem Prinzip der Gruppenintelligenz, können marktbeherrschende Positionen aufgrund von Netzwerkeffekten ermöglichen. 4. End of the Software Release Cycle: Web2.0-Anwendungen stehen als webbasierte Dienste zur Verfügung und werden nicht als kommerzielle Standardsoftware verstanden. Dienstleistungen, die beispielsweise über Mash Ups einfach in andere Internetanwendungen eingebunden werden können, sind deshalb wichtiger als monolithische Softwareprodukte, die festgelegten ReleaseZyklen folgen. 5. Lightweight Programming Models: Gemäß dem vierten Prinzip sind Web-2.0Anwendungen einem laufenden Veränderungsprozess unterworfen. Viele Web-2.0-Anwendungen bezeichnen sich deshalb bewusst als „Beta“. Einfache, leichtgewichtige und flexibel änderbare IT-Architekturen und Entwicklungsframeworks sind deshalb für die Softwareentwicklung von Web-2.0Anwendungen unabdingbar. 6. Software Above the Level of Single Device: Aufgrund der zunehmenden Konvergenz der Kommunikationsmedien sollten nicht nur PCs, sondern auch andere, z. B. mobile Endgeräte von Web-2.0-Anwendungen angesprochen werden. 7. Rich User Experience: Anwendungen des Web 2.0 sollten so benutzungsfreundlich wie Desktop-Anwendungen sein und über analoge ergonomische Merkmale verfügen (z. B. Drag & Drop). Mittlerweile werden mit Web 2.0 weitere Begriffe assoziiert, die sich klassifikatorisch der anwendungsbzw. technikbezogenen Perspektive des Begriffs zuordnen lassen. Ökonomisch von Interesse sind dabei vor allem die Begriffe der anwendungsbezogenen Perspektive. Wie sie in den Kontext von Web 2.0 einzuordnen sind und was sie inhaltlich bedeuten, ist Gegenstand dieses Beitrags. Dabei wird Bild 1 als Referenzmodell verwendet: j Technikbezogene Perspektive: Web 2.0 ist ein klassisches Beispiel für die immer größer werdende Bedeutung der IT zur Umsetzung von Geschäftsmodellen. Ohne die technischen Potenziale von RSS, Webservices, AJAX usw. wären die ökonomischen Möglichkeiten von Web 2.0 zwar denkbar, aber kaum umsetzbar. j Anwendungsbezogene Perspektive: Hierbei geht es um die ökonomischen Nutzungspotenziale des Web 2.0. Zwei Begriffe, die im Folgenden eingehender beleuchtet werden, sind dabei von größerer Relevanz: Die Nutzung des kreativen Kundenpotenzials durch Open Innovation und die Aktivierung des Kunden im Verkaufsprozess durch Social Commerce. In beiden Fällen wird versucht, den bisherigen Konsumenten auch zum Produzenten von Informationen zu machen. Diese Doppelrolle wird deshalb oftmals mit dem Kunstwort Prosumer charakterisiert. Die Erweiterung des ökonomischen Potenzials von Web 2.0 für den unternehmensinternen Einsatz wird unter dem Schlagwort Enterprise 2.0 diskutiert.