Karl Leonhard (1904–1988)

Zusammenfassung Karl Leonhard gilt als einer der letzten Vertreter der Nervenheilkunde, die die Fächer Psychiatrie und Neurologie gleichermaßen in Klinik und Wissenschaft beherrschten. Aus Frankfurt am Main kommend, war er von 1955 bis 1957 zunächst in Erfurt, danach bis zur Emeritierung 1970 als Ordinarius und Direktor an der Psychiatrischen und Nervenklinik der Humboldt-Universität zu Berlin. Ein 1962 an Leonhard ergangener Ruf an die J.-W.-Goethe-Universität Frankfurt am Main führte zu politischen und persönlichen Irritationen. Seine wissenschaftlichen Arbeiten setzte er bis kurz vor seinem Tod am 23.4.1988 an der Berliner Charité fort. In der Tradition von Carl Wernicke und Karl Kleist stehend, entwickelte Leonhard mit seiner differenzierten phänomenologischen Analyse psychopathologischer Befunde eine ebenso differenzierte nosologische Klassifikation endogener Psychosen. Die Beschreibung zykloider Psychosen, die sich in Verlauf und Prognose von den unsystematischen und systematischen Schizophrenien unterscheiden, und der nosologischen Differenzierung uni- und bipolarer Depressionen setzte Leonhard neue Maßstäbe in Klinik, Therapie und Forschung endogener Psychosen. Seine Vorstellungen vom Stellenwert des Biologischen im Verhalten des Menschen wurden unter ideologischen Gesichtspunkten zwar kritisiert, führten dennoch zu einer erweiterten Sicht der Leistungen der menschlichen Psyche. Die Beschreibung normaler und abnormer Persönlichkeiten und das Konzept akzentuierter Wesenszüge waren die Grundlagen für seine auf die Individualität des Patienten und dessen Neurose ausgerichtete Individualtherapie. Leonhards Einfluss auf die Neurologie und Neuropsychologie hält mit seinen Vorstellungen über Theorie und Praxis der Hirnlokalisation, insbesondere der Beschreibung von Aphasie- und Agraphieformen, bis in die Gegenwart an.

[1]  N. Andreasen DSM and the death of phenomenology in america: an example of unintended consequences. , 2006, Schizophrenia bulletin.

[2]  W. Maier Genetik affektiver Störungen , 2007, Nervenheilkunde.

[3]  Raecke Katatonie im Kindesalter , 1908, European Archives of Psychiatry and Neurological Sciences.

[4]  K. Leonhard Apraxie der Blickbewegungen mit konstruktiver Apraxie und reiner Agraphie , 2005, European Archives of Psychiatry and Neurological Sciences.

[5]  K. Leonhard Die japanische Morita-Therapie aus der Sicht eigener psychotherapeutischer Verfahren , 1965, European Archives of Psychiatry and Neurological Sciences.

[6]  A. Bartsch,et al.  Karl Kleist (1879–1960) – A Pioneer of Neuropsychiatry , 2003, History of psychiatry.

[7]  A. Bartsch,et al.  Schizophrenias in the Wernicke-Kleist-Leonhard school. , 2000, The American journal of psychiatry.

[8]  Understanding schizophrenia: a silent spring? , 1998, The American journal of psychiatry.

[9]  T. Bougerol,et al.  [Cycloid psychoses]. , 1997, La Revue du praticien.

[10]  G. Ungvari The Wernicke-Kleist-Leonhard school of psychiatry , 1993, Biological Psychiatry.

[11]  M. Maj Cycloid psychotic disorder: validation of the concept by means of a follow-up and a family study. , 1990, Psychopathology.

[12]  K. Leonhard Katatonie in der Perspektive der psychiatrischen Nosologie , 1989 .

[13]  H. Meltzer,et al.  Cycloid Psychoses: Diagnosis and Heuristic Value , 1982, The Journal of nervous and mental disease.

[14]  C. Perris A Study of Cycloid Psychoses , 1974, Acta psychiatrica Scandinavica. Supplementum.

[15]  J. Angst Zur Ätiologie und Nosologie endogener depressiver Psychosen : eine genetische, soziologische und klinische Studie , 1966 .

[16]  C. Perris A study of bipolar (manic-depressive) and unipolar recurrent depressive psychoses. Introduction. , 1966, Acta psychiatrica Scandinavica. Supplementum.

[17]  K. Leonhard Aufteilung der endogenen Psychosen , 1957 .

[18]  K. Leonhard GRUNDLAGEN DER NEUROLOGIE , 1954 .

[19]  Karl Pönitz Beitrag zur kenntnis der frühkatatonie , 1913 .