Vom Phänomen auf kleiner Skala zum (Trenn)-Apparat

seit Ingenieurgenerationen besteht der verfahrenstechnische Traum darin, Apparate und Prozesse vom Reisbrett aus alleine mithilfe des erworbenen Wissens und der gesammelten Erfahrungen moglichst direkt im Produktionsmasstab zu entwerfen. Angefangen bei der Vorausberechnung der Stoffdaten von Gemischen und dem Design idealer Katalysatoren, fortgesetzt bei der moglichst rigorosen Beschreibung von gekoppelten Stoffund Warmetransportphanomenen in Reaktoren und Trennapparaten, bis hin zur Abbildung ganzer Anlagenkomplexe in Trainingssimulationen: Immer ist es das Ziel, den Entwicklungsprozess vom Einzelphanomen zum (Trenn)Apparat bzw. Gesamtprozess in moglichst wenigen Zwischenschritten zu bewaltigen. Noch in den 80er Jahren gehorten die Stationen Laboranlage, Technikumsanlage, Pilotanlage und Produktionsanlage zum Standard im Lebenszyklus eines neuen Prozesses. In den 90ern fand dann die Miniplanttechnik als Ersatz fur Experimente im Technikumsmasstab Einzug in die Entwicklungsprozesse der Chemischen Industrie. Heutzutage geht dagegen eher ein Trend hin zu groseren Technikumsanlagen mit Verzicht auf den kostspieligen Pilotmasstab. Die zu beobachtenden Veranderungen im Vorgehen sind jedoch nicht ausschlieslich getrieben von wirtschaftlichen Zwangen sondern oft auch eine strategische unternehmerische Entscheidung, die einen “mutigen” Scaleup-Schritt bis in den Produktionsmasstab ohne die zeitraubende Planung und den Bau von Pilotanlagen erfordert. Individualisierte Produkte und Markte verlangen neue Apparateund Prozessentwicklungskonzepte und Produktionsmethoden wie sie sich in der Stuckgutindustrie mit der Modularisierung von Planungsprozessen und Methoden des Lean-Manufacturing bereits etabliert haben. Aber auch handfestere Argumente wie die immer starker geforderte und geforderte Energieund Ressourceneffizienz von Apparaten und Prozessen stellen die verfahrenstechnische Welt vor neue Herausforderungen. Insbesondere immer besser optimierte Einzelapparate und eine stetig zu beobachtende Integration von Funktionalitaten in einem einzigen Apparat lassen die Weite der Betriebsfenster fur ein robustes Gesamtverfahrenmehr und mehr zusammenschmelzen. In diesem Zusammenhang mag es aber auch ein Trost sein, dass wir auf diesem Weg unseren Werkzeugkasten mit neuem Methodenwissen aufrusten und uns fit machen fur zukunftige Aufgaben. Hatte die Verfahrenstechnik fur den Wechsel von der Rohstoffquelle Kohle zum Erdol noch mehr als zwei Dekaden Zeit, muss der Ersatz vom Erdol durch nachwachsende Rohstoffe womoglich wesentlich schneller geschafft werden. Dabei gibt insbesondere das geanderte Eigenschaftsprofil der Edukte und eduktangepasster Produkte, gekennzeichnet durch starker polare, hoher viskose und geringer fluchtige Stoffe, schon zu Beginn des Entwicklungsprozesses neue und komplexere Problemstellungen auf. Grundsatzlich lassen sich zwei Gruppen von Losungsansatzen zur Bewaltigung der oben aufgeworfenen Fragestellungen erkennen. Die einen, die mit immer machtigerer Softund Hardwareunterstutzung die komplexen Wechselwirkungen wie zum Beispiel an freien Oberflachen beherrschbar machen. Die anderen, die mithilfe apparatetechnischer Innovationen wie zum Beispiel der Milliund Mikrotechnik die Einzelphanomene zu entkoppeln versuchen. Die Beitrage dieser Ausgabe der Chemie Ingenieur Technik konnen naturlich nur einen kleinen Einblick in das moderne Methodenrepertoire der Apparateund Prozessentwicklerinnen und -entwickler eroffnen. Dennoch hoffen wir, Ihnen mit diesem Heft neue Impulse und Denkanstose fur Ihre eigenen Forschungsund Entwicklungsarbeiten geben zu konnen. In diesem Sinne wunschen wir Ihnen viel Spas bei der Lekture dieses CITHeftes. Chemie Ingenieur Technik