Das Private und die Scham

„Und sie waren beide nackt, der Mensch und sein Weib, und schämten sich nicht.“ Nachzulesen unter 1.Mose 2,25. Damit schließt der Schöpfungsakt ab. Dann kommt der Sündenfall und die Scham. „Adam versteckte sich mit seinem Weibe vor dem Angesicht Gottes des Herrn unter die Bäume im Garten“, mit der Begründung, dass sie beide nackt seien. Diese Erkenntnis hat ihnen der Apfel vom Baum der Erkenntnis vermittelt. Von da an wissen sie nicht nur, dass sie nackt sind, sondern auch dass das niemanden etwas angeht. Ihre Blöße ist ihre private Angelegenheit. Das nehmen sie sich naiverweise selbst vor Gott heraus. Anfang des Privaten. Das Volk Israel nahm die Scham ernst und hatte so im Römischen Reich seine Schwierigkeiten mit der hellenistischen Zivilisation und den allgegenwärtigen Griechen. Diese Heiden hingen mit Begeisterung dem Sport an und zogen sich dazu splitternackt aus. Aber auch die Griechen hatten ihre Grundsätze, mit denen sie sich von den Nicht-Griechen, den Barbaren, abgrenzten; auch die Ägypter. Herodot (5. Jahrhundert v. Chr.) lobt diese dafür, dass sie sich nicht wie die meisten anderen Völker im Tempel zu begatten pflegen. Die Rechtfertigung der Barbaren – die Götter ließen es bei den Tieren ohne weiteres zu – würde lediglich zeigen, dass sie sich den Tieren gleichstellen. So gesehen, haben sie quasi das Paradies noch nicht überwunden. Die vom Hellenismus geprägte Gesellschaft des Römischen Reichs kannte also die Scham und verstand sich als zivilisiert, dem paradiesischen Zustand der barbarischen Völker entkommen. Aber das Bisschen Privatheit, das sich im Schamgefühl andeutet, fiel weiter nicht auf. Man lebte dicht beieinander und fest in eine gesellschaftliche Hierarchie gezwängt, häufig auch der Gemeinschaft in überzeugter Treue hingegeben. Die Gemeinschaft sorgte für den Erhalt des Lebens und verlangte dafür Einund Unterordnung. Jeder Mensch hatte