Beratungsunternehmen, die mit neuen, von ihrem bisherigen Leistungsspektrum abweichenden Beratungsangeboten an den Markt gehen wollen, sehen sich mit zwei Gruppen von Problemen konfrontiert. Einerseits ergeben sich in der Produktentwicklungsphase Schwierigkeiten durch unzureichende eigene Ressourcen und Kompetenzen. Andererseits bestehen Probleme, hierfür Kunden zu gewinnen. Auf beide Aspekte wird im vorliegenden Beitrag eingegangen, wobei der Schwerpunkt auf den kundenbezogenen Problemen liegt. Zur Erklärung werden etablierte Modelle der Sozialpsychologie herangezogen mit dem Ziel, durch ein vertieftes Verständnis der Zusammenhänge auch praxistaugliche Gestaltungshinweise zu geben. Als Anwendungsbeispiel gehen wir von einem IVBeratungsunternehmen aus, das zukünftig ergänzende Leistungen aus dem Bereich der Managementberatung vermarkten will. 1 Ausgewählte Grundlagen der Unternehmensberatung Unternehmensberatung ist eine professionelle Dienstleistung, die durch eine oder mehrere, im Allgemeinen fachlich dazu befähigte und von den beratenen Klienten hierarchisch unabhängige Person(en) zeitlich befristet sowie meist gegen Entgelt erbracht wird und zum Ziel hat, betriebswirtschaftliche Probleme des beauftragenden Unternehmens interaktiv mit den Klienten zu definieren, zu strukturieren und zu analysieren, sowie Problemlösungen zu erarbeiten, und auf Wunsch ihre Umsetzung gemeinsam mit Vertretern des Klienten zu planen sowie im Unternehmen zu realisieren [Ni07; 3]. Im Jahr 2008 ist der Umsatz der Beratungsbranche in Deutschland um 10,7 Prozent auf 18,2 Mrd. Euro gestiegen [BDU09]. Unterschiedliche Aspekte können Gegenstand der Beratung sein. Strategieberatung versucht, langfristige Wettbewerbsvorteile für den Klienten aufzubauen oder zu erhalten. IV-Beratung ist dagegen primär operativ ausgerichtet. Im Zentrum der Beratungsthemen stehen Aspekte der Informationsverarbeitung von Klienten. Organisationsfragen, Geschäftsprozesse und die Unterstützung im Projektmanagement bilden Schwerpunkte der Organisationsberatung, die zur strategischen Ebene als auch zur IT-technischen Prozeßunterstützung eine enge Verbindung hat. Strategieund Organisationsberatung werden oft unter dem Begriff Managementberatung zusammengefasst. Es gibt vor allem zwei Gründe, warum es für eine IV-Beratungsfirma interessant sein kann, Managementberatung anzubieten. Erstens ist man dann früher in neue Projekte bei Klienten involviert und kann gleichzeitig ein vertriebsrelevantes Beziehungsnetzwerk auf einer hohen Managementebene aufbauen. Daraus erhofft man sich bessere Chancen, für das IT-Kerngeschäft Aufträge zu erhalten. Zweitens sind die Margen in der Managementberatung deutlich höher als in der IV-Beratung, was dieses Beratungsfeld attraktiv macht. IV-Beratungsfirmen sind jedoch mit vielen Schwierigkeiten konfrontiert, wenn sie versuchen, ihr Leistungsangebot um Managementberatung zu ergänzen. Die Gründe dafür können grob differenziert werden in ressourcenbezogene, interne Probleme einerseits und die Schwierigkeit, für die neuen Leistungen am Markt Kunden zu gewinnen andererseits. Letztere werden schwerpunktmäßig in diesem Beitrag betrachtet. Dabei gehen wir folgenden Forschungsfragen nach: 1) Was sind die Determinanten des Klientenverhaltens bei neuartigen, potenziell unerwarteten Beratungsprodukten eines Anbieters? 2) Wie kann der Beratungsvertrieb das Klientenverhalten gezielt in seinem Sinn beeinflussen? Es sei betont, dass dieser Beitrag nicht von einem völligen Wechsel, sondern von einer Ergänzung des bisherigen Beratungsangebotes eines Unternehmens ausgeht. Methodisch beruhen die Ergebnisse vor allem auf einer Analyse etablierter sozialpsychologischer Theorien, aus denen Implikationen für den Beratungssektor abgeleitet werden. Im nächsten Abschnitt wird ein allgemeiner Überblick über mögliche Gründe aus einer Ressourcenperspektive gegeben, die Beratungsunternehmen daran hindern können, erfolgreich neuartige Beratungsleistungen zu entwickeln oder erbringen. Anschließend fokussieren wir auf das Problem, für die neuen Leistungen Kunden zu gewinnen. Dazu betrachten wir die Determinanten des menschlichen Verhaltens, um darauf aufbauend, Ansatzpunkte zu identifizieren, die dem Beratungsvertrieb ermöglichen, negative Vorstellungen und Einstellungen beim Klienten zu korrigieren. 2 Hindernisse aus einer Ressourcenperspektive Beratungsfirmen, die Leistungsangebote in für sie neuen Themen anbieten wollen, haben unter anderem mit ressourcenbezogenen Hemmnissen im eigenen Unternehmen zu kämpfen. Organisationales Wissen und organisationale Lernfähigkeit stellen Kernkompetenzen eines Beratungsunternehmens dar, also spezifische Fähigkeiten im Sinne von Prahalad und Hamel [PH90], die es einem Unternehmen erlauben, seine Leistungen auf Märkten erfolgreich zu positionieren. Organisationale Kompetenzen werden zu Kernkompetenzen, wenn die Kriterien der strategischen Relevanz (Differenzierungsfaktor im Wettbewerb) und der organisationalen Komplexität (im Sinne einer schwierigen Imitierbarkeit durch Konkurrenten) erfüllt sind [PR98; 134]. Der ursprünglich für fertigende Industrien entwickelte Kernkompetenz-Ansatz läßt sich auch auf wissensintensive Dienstleistungsunternehmen übertragen, wobei die „Produktionsfähigkeiten“ durch das Humankapital determiniert sind. Bereits im ursprünglichen Beitrag von Prahalad und Hamel wird deutlich: „people (...) embody competence“ [PH90; 90]. In der Konsequenz wird es als Hauptaufgabe des Managements angesehen, Bedingungen zu schaffen, unter denen Kompetenzen aufund ausgebaut werden können. Die Führung eines IV-Beratungsunternehmens, das in den Bereich der Managementberatung vordringen will, muss daher die fehlenden Kernkompetenzen aufbauen. Dies kann kurzfristig beispielsweise durch Unternehmenszusammenschlüsse und Kooperationen geschehen, wenn der Aufbau aus eigener Kraft zu langwierig wäre. Dabei sind jedoch potenzielle Integrationsoder Abstimmungsprobleme der Partnerunternehmen zu berücksichtigen. Die Option, eine fremde Managementberatung zu kaufen, erfordert außerdem beträchtliche Finanzkraft und scheidet daher für die meisten mittelständischen IV-Beratungsfirmen aus. Denkbar ist auch, mittels der Neueinstellung erfahrener Managementberater (die vielleicht schon einen passenden Kundenstamm mitbringen, mindestens aber ein relevantes berufliches Netzwerk) das Kompetenzportfolio zu ergänzen. Bei dem Versuch, Wissen und Fähigkeiten der neuen Mitarbeiter intern schnell zu multiplizieren sind jedoch Akzeptanzprobleme unter den IV-Beratern möglich, die eventuell kein Interesse haben, sich in diese Richtung weiter zu entwickeln. Hier ist zu bedenken, dass fachliche Inhalte, Beratungsmethodik, durchschnittliche Projektdauer, Kommunikation und Arbeitsstil in der Managementund IV-Beratung sich deutlich unterscheiden [NK08]. Methodenschulungen können auch keine einschlägige Projekterfahrung ersetzen. Aus Sicht der IV-Beratung ist daher zu überlegen, wie eigenständig die neue Managementberatungseinheit intern aufgestellt wird und am Markt agieren soll. Bedeutsam sind auch die Schwierigkeiten, die sich aus der Abhängigkeit der Weiterentwicklungsmöglichkeiten eines Unternehmens von seinem eigenen historischen Entwicklungspfad ableiten. Individuelle Bedingungen und Entwicklungen in der Vergangenheit eines Unternehmens ermöglichen den Erwerb bestimmter Ressourcen. In der Unternehmensberatung sind dies vor allem Wissen und Fähigkeiten. Die abweichenden Bedingungen auf dem Entwicklungspfad von Wettbewerbern geben häufig keine vergleichbare Chance zum Erwerb der betreffenden Ressourcen. Hinsichtlich der wichtigen Frage, welches Wissen eine Organisation am leichtesten neu erwerben kann, haben sowohl Cohen und Levinthal [CL90] als auch Kogut und Zander [KZ92] darauf hingewiesen, dass die Nähe zu bereits im Unternehmen vorhandenem Vorwissen entscheidend ist. Cohen und Levinthal verwenden in diesem Zusammenhang das Konzept der absorptive capacity (übersetzbar in etwa als „Aufnahmefähigkeit“). Diese ist definiert als „(...)ability to recognize the value of new information, assimilate it, and apply it to commercial ends.“ [CL90; 128] Boudreau bezeichnet die absorptive capacity eines Unternehmens als eine Form von knowledge enabler [Bo03; 382 f.]. Die Fähigkeit, externes Wissen zu bewerten und zu nutzen hängt vor allem davon ab, wie viel ähnliches Wissen in der Organisation bereits vorhanden ist. Hier ergibt sich ein dynamischselbstverstärkender (kumulativer) Effekt. So wird eine Abhängigkeit der absorptive capacity eines Unternehmens von seinem historischen Entwicklungspfad begründet. Die 1 Cohen und Levinthal stützen diese Einschätzung auf Erkenntnisse der Kognitionspsychologie, denen zufolge verwandtes Wissen es erleichtert, neues Wissen zu behalten und zu nutzen [CL90; 128 ff.]. absorptive capacity bildet daher eine immaterielle strategische Ressource [Ba91], die maßgeblichen Einfluss auf die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens ausübt. Sie entsteht im Allgemeinen als Nebenprodukt unternehmerischer Aktivität, wozu hier vor allem eigene Forschungsanstrengungen, Produktionsprozesse (Beratungsprojekte) und Weiterbildungsmaßnahmen zu zählen sind. Soll jedoch Wissen erworben und integriert werden, das weit entfernt ist vom bisherigen Vorwissen innerhalb der Organisation, dann sind gezielte Investitionen in die absorptive capacity erforderlich. Fehlende Investitionen in Fähigkeiten der Managementberatung in der Vergangenheit begründen daher eine für diesen Bereich geringe absorptive capacity von IV-Beratungsanbietern und erschweren so den raschen Aufbau eigener Kompetenzen. Sehr ähnlich gelagert ist die Vorstellung der combinative capabilities eines Unternehmens [KZ92]. Neues Wissen entsteht dabei aus der Rekombination bereits vorhandener Fähigkeiten. Das organisationale Lernen findet vor allem in jenen Bereichen statt, die nah zu den gegenwärtigen Praktiken der Firma liegen. Auch aus dieser Perspektive hängen die Lernfähigkeit und damit die Weit
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