Über relative Koordination bei Arthropoden

ZusammenfassungEs wird ein schon früher angegebenes variationsstatisches Verfahren zur Feststellung der Koordinationsbeziehung zwischen verschiedenen rhythmischen Bewegungen weiter entwickelt und der Begriff desKoppelungsgrades K als Ausdruck für das Ma\ von (einseitiger oder gegenseitiger) Abhängigkeit zweier Bewegungsvorgänge eingeführt.Versuche anInsekten (Locusta, Dixippus, Melolontha) und anHundertfü\ern (Lithobius und Geophilus) zeigen, da\ auch bei Arthropoden allenthalbenrelative Koordination vorkommt. Im einzelnen ergibt sich, da\ der Koppelungsgrad erstens von den äu\eren Laufbedingungen stark beeinflu\t wird (s. Abb. 3 sowie Abb. 9) und da\ er zweitens sich auch nach Beinamputationen in charakteristischer Weise ändert (Abb. 5), wobei er zwischen Beinen mit abgeänderter Phasenbeziehung wesentlich grö\er sein kann als zwischen solchen, deren Beziehung durch die Amputation unbeeinflu\t bleibt. Im allgemeinen sinktK mit Abnahme der Beinzahl; unter bestimmten Bedingungen kannK zwischen zwei Beinen nach Amputation anderer Beine aber auch ansteigen.Es zeigt sich ferner, da\ Koppelungen verschiedenen Grades (relative und absolute Koordination) auch bei nichtlokomotorischen Bewegungen, bei denen eine bestimmte Einordnung der bewegten Einzelglieder in eine Gesamtordnung biologisch zwecklos erscheint, als „zufällige“ Begleiterscheinung auftreten kann.Insgesamt bestätigt und festigt sich der Schlu\, da\ beim Zusammenspiel der Bewegungen der Arthropoden (wie bei den Wirbeltieren) nicht nur benachbarte Teile, sondern auch weit entfernte aufeinander einwirken, da\ wir es folglich mitdynamischen Systemen vonveränderlichem Gleichgewichtszustand zu tun haben.Vergleichsversuche am spontan kriechendenRegenwurm (Lumbricus) ergaben, da\ hier alle wesentlichen, von Herz und Meduse (Bethe) her bekannten Periodenformen (2 ∶ 1-Rhythmus, Alternans, Bigemini) ebenfalls auftreten, sobald Teile des Nervenmuskelsystems den vom Vorderende ausgehenden rhythmischen Anstö\en nicht mehr zu folgen vermögen.Zum Schlu\ wird dargelegt, da\ diese letzteren Formen von relativer Koordination, die auf rhythmischen, von einem „Schrittmacher“ ausgehenden „Reizen“ beruhen, welche auf trägere Systemteile treffen, grundsätzlich verschieden sind von den Formen relativer Koordination, die bei ärthropoden, Wirbeltieren, bei menschlichen willkürlichen und unwillkürlichen Bewegungen und bei den bioelektrischen Rhythmen im menschlichen Hirn (Jung, Hugger) auftreten. Diese letzteren Koordinationsformen können mit dem Ausdruckgleitende Koordination im engeren Sinne zusammengefa\t werden; zum Unterschied von dem nichtgleitenden Koordinationstyp bei Herz, Meduse und Regenwurm.

[1]  Erich v. Holst Über die Ordnung und Umordnung der Beinbewegungen bei Hundertfüßern (Chilopoden) , 2005, Pflüger's Archiv für die gesamte Physiologie des Menschen und der Tiere.

[2]  A. Bethe,et al.  Studien über die Plastizität des Nervensystems , 1930, Pflugers Archiv fur die gesamte Physiologie des Menschen und der Tiere.

[3]  E. Holst Die relative Koordination , 1939 .

[4]  A. Bethe,et al.  Studien über die Plastizität des Nervensystems , 1930, Pflugers Archiv fur die gesamte Physiologie des Menschen und der Tiere.

[5]  Albrecht Bethe Über das Zusammenwirken zweier Randkörper bei Medusen und einige allgemeine Fragen der Koordination , 2004, Zeitschrift für vergleichende Physiologie.

[6]  E. Holst,et al.  DIE KOORDINATION DER BEWEGUNG BEI DEN ARTHROPODEN IN ABHÄNGIGKEIT VON ZENTRALEN UND PERIPHEREN BEDINGUNGEN , 1935 .

[7]  Hubert Hugger,et al.  Zur objektiven Auswertung des Elektrencephalogramms unter besonderer Berücksichtigung der gleitenden Koordination , 1941, Pflüger's Archiv für die gesamte Physiologie des Menschen und der Tiere.