Wattwaage mit Hebelübersetzung auf Basis eines kommerziellen EMK-Wägesystems

Zusammenfassung Bei Waagen nach dem Prinzip der elektromagnetischen Kraftkompensation wird die auf eine Waagschale wirkende Gewichtskraft eines Wägegutes durch eine elektromagnetische Gegenkraft kompensiert. Nach dem Stand der Technik wird der Zusammenhang zwischen dem, die Gegenkraft erzeugendem Aktorstrom durch eine Spule und der Gewichtskraft des Wägegutes durch Kalibrierung mit Massenormalen hergestellt. Mit der für 2018 zu erwartenden Neudefinition der SI-Einheit der Masse durch Festlegung eines Wertes der Planck-Konstanten wird ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den mechanischen und elektrischen Größen geschaffen, so dass das aus Fundamentalexperimenten bekannte Wattwaagenprinzip zur Kalibrierung von Massen eingesetzt werden kann. Im vorliegenden Artikel wird eine darauf aufbauende Methode zur Bestimmung des Kraftfaktors Bl einer kommerziellen EMK-Wägzelle vorgestellt. Dies geschieht durch die simultane Messung der Spannung über der im Magnetfeld bewegten Spule und deren Geschwindigkeit. Dabei wird im vorgestellten Verfahren die Spule gleichzeitig zur Erzeugung der Bewegung mit einem harmonischen Wechselsignal bestromt. Die Frequenz der harmonischen Bewegung hat hierbei maßgeblichen Einfluss auf die Unsicherheit des resultierenden Kraftfaktors. Eine Trennung der Spannungsanteile über der Spule erfolgt durch simultane Messung von Strom und Spannung an der Spule und Auswertung unter Berücksichtigung der vorliegenden Amplituden und Phasenlagen. Die Spule ist hierbei, wie bei kommerziellen EMK-Wägezellen üblich, über ein mechanisches Hebelwerk angekoppelt. Durch diese Hebelübersetzung ist es möglich, mit einem kompakten elektrodynamischen Aktuator (Spule–Permanentmagnetsystem), einen großen wirksamen Kraftfaktor zu realisieren. Im Ergebnis können mit dem System Kräfte in beliebiger Raumrichtung gemessen bzw. erzeugt werden, wobei die Massebestimmung einen Spezialfall darstellt, für den zusätzlich die lokale Fallbeschleunigung bekannt sein muss. Unter Nutzung der gleichen Methodik kann durch Vertauschung von Eingangs- und Ausgangsgrößen des Formalismus, die EMK-Wägezelle auch als Positionssensor eingesetzt werden. Hierbei erfolgt unter Zuhilfenahme eines Referenzgewichtes (Justiergewichtes) und der Ausgangsspannung des Positionssensors des Wägesystems eine Kalibrierung der Auslenkung des Koppelstücks. Für beide Verfahren werden im Gegensatz zu Fundamentalexperimenten industriell relevante Messunsicherheiten im ppm-Bereich angestrebt. Es werden Messungen für beide Messmodi auf Basis kommerziell verfügbarer EMK-Wägezellen und elektrischer Messtechnik vorgestellt und diskutiert.